China ist heute der größte E-Commerce-Markt der Welt. Nirgendwo sonst wird so selbstverständlich, so häufig und so vielfältig online eingekauft. Ob Alltagsprodukte, Luxusgüter oder Dienstleistungen – für chinesische Konsumenten ist der digitale Handel längst der bevorzugte Weg. Die klassischen Phasen der Customer Journey – Bewusstsein (Awareness), Interesse (Interest), Überlegung (Consideration), Entscheidung (Decision/Action) und Bindung (Retention/Loyalty) – gelten auch hier. Doch wie Konsumenten diese Phasen tatsächlich erleben, unterscheidet sich fundamental zwischen China und westlichen Märkten. Ursache sind weniger die Modelle selbst als vielmehr die kulturellen Prägungen, Verhaltensmuster und digitalen Infrastrukturen, in denen Kaufentscheidungen stattfinden. Wer die Unterschiede verstehen will, muss von der abstrakten Logik zur gelebten Praxis blicken.
Digitale Ökosysteme: Super-Apps als Nervenzentrum
Chinas digitale Welt basiert auf dem Modell der Super-Apps. Eine einzelne App vereint Kommunikation, Shopping, Bezahlung und Services in einem durchgängigen Ökosystem. WeChat ist das prominenteste Beispiel. Ursprünglich als Messenger gestartet, ist es heute weit mehr als eine Kommunikationsplattform. Mit über einer Milliarde aktiven Nutzern ist es zu einem Alltagsbetriebssystem geworden: Chat, Social Media, mobile Bezahlung, Mini-Programme, E-Commerce, Gaming und sogar Behördendienste sind in ein einziges Ökosystem integriert.