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USA vs China – Das Rennen um die globale KI-Dominanz

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Der Wettlauf um die globale KI-Dominanz spitzt sich zu: Während die USA und China ihre Strategien zur technologischen und geopolitischen Führerschaft verfeinern, steht Europa vor der Herausforderung, Schritt zu halten. Welche Chancen und Risiken ergeben sich für den globalen Wettbewerb? Ein Blick auf die unterschiedlichen Herangehensweisen der Weltmächte und Europas Position im KI-Rennen.

KI - Der Wettlauf um globale Dominanz

Die geopolitische Bedeutung der Künstlichen Intelligenz (KI) ist eines der zentralen Themen im Spannungsfeld zwischen den USA und China. Der Wettlauf um die Allgemeine Künstliche Intelligenz (AGI) ist nicht nur technologischer, sondern auch strategischer Natur. Das Land, das diese Technologie beherrscht, könnte nicht nur einen entscheidenden Vorteil in der globalen Machtverteilung erlangen, sondern auch die internationalen Regeln für KI mitbestimmen. Dieser Wettlauf geht weit über die USA und China hinaus: Der Druck auf weltweite Lieferketten wächst, und die globale KI-Landschaft verändert sich rasant. In diesem Kontext wird Europa zunehmend als Nachzügler wahrgenommen. Zwar gibt es in einigen Bereichen Fortschritte, doch der Europäischen Union fehlt eine klare und kohärente Strategie, um mit den führenden Nationen Schritt zu halten.

Die US-amerikanische KI-Strategie - Maßnahmen zur Sicherung der globalen Führungsrolle

Exportkontrollen

Seit Oktober 2022 verfolgen die USA eine KI-Strategie, die auf Exportkontrollen abzielt, um den Zugang Chinas zu fortschrittlicher KI-Hardware zu erschweren bzw. zu blockieren. Diese Strategie setzt auf das Konzept der Compute Governance, die Kontrolle von Rechenressourcen, um die Entwicklung von KI in die gewünschten Bahnen zu lenken. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den sogenannten Chokepoints, kritischen technologischen Engpässen, die den Fortschritt in der KI-Entwicklung maßgeblich beeinflussen. Hierzu zählen vor allem die moderne Halbleiterfertigung und spezialisierte Grafikprozessoren (GPUs) von Unternehmen wie Nvidia, AMD und Intel. Diese Chokepoints bieten den USA die Möglichkeit, direkt in die globale Entwicklung einzugreifen und so den technologischen Fortschritt in nicht-alliierten Staaten zu bremsen.

AI Diffusion Framework

Ein weiteres zentrales Element der US-Strategie ist der AI Diffusion Framework, der im Januar 2025 vorgestellt wurde. Damit soll der Zugang zu KI-relevanten Technologien weltweit weiter kontrolliert und vor allem chinesische Unternehmen daran gehindert werden, auf sicherheitskritische Technologien zuzugreifen, selbst wenn diese außerhalb Chinas angeboten werden. Durch dieses globale Kontrollsystem erweitern die USA ihren Einfluss auf den Technologiefluss und festigen ihre Position als führende Technologiemacht.

 

AI Action Plan

Der im Juli 2025 veröffentlichte „AI Action Plan“ der Trump-Administration umfasst über 90 Maßnahmen, die die USA in den kommenden Jahren umsetzen wollen, um ihre Führungsrolle im Bereich KI auszubauen und zu festigen.

  • Beschleunigung der KI-Innovation: Durch gezielte Deregulierung sollen US-Unternehmen schneller bahnbrechende KI-Technologien entwickeln können. Die Federal Communications Commission (FCC) erhält die Befugnis, bestehende staatliche Regulierungen zu überprüfen und zu reduzieren, um bürokratische Hürden abzubauen.
  • Ausbau der nationalen KI-Infrastruktur: Der Plan sieht vor, den Aufbau von Rechenzentren auf nationaler Ebene voranzutreiben und KI stärker in die Halbleiterpolitik zu integrieren, um die führende Stellung der USA langfristig zu sichern.
  • Führerschaft in der internationalen KI-Diplomatie: Ein zentraler Bestandteil des Plans ist die Schaffung eines KI-Exportprogramms durch das US-Handelsministerium (DOC), um KI-Technologien aktiv an internationale Verbündete zu exportieren. Parallel dazu werden Exportkontrollen für KI-Chips verschärft, einschließlich Standortverifikation und Exportüberwachung in risikobehafteten Regionen. Diese Maßnahmen sollen global abgestimmt werden, um den wachsenden Einfluss Chinas im KI-Sektor zu begrenzen.

 

Chinas KI-Strategie: Auf dem Weg zur Weltspitze bis 2030

China verfolgt mit seiner KI-Strategie ein ehrgeiziges Ziel: Bis 2030 will das Land zur führenden Nation im Bereich Künstliche Intelligenz aufsteigen. Eingebettet in die Fünf-Jahres-Pläne und unterstützt durch massive staatliche Initiativen setzt Peking auf die gezielte Förderung von KI-Start-ups, den Ausbau der nationalen Recheninfrastruktur und die Entwicklung eigener KI-Modelle.

Die chinesische Regierung betrachtet Künstliche Intelligenz als Schlüsseltechnologie für die wirtschaftliche und technologische Zukunft (New Quality Productive Forces). Rechenzentren und KI-Pilotzonen in Städten wie Shanghai und Shenzhen schaffen Innovationscluster, die Forschung, Unternehmen und Start-ups miteinander vernetzen. Besonders in den Bereichen autonomes Fahren, Robotik und Biotechnologie sieht China großes Wachstumspotenzial und möchte eine führende Rolle im globalen KI-Wettbewerb übernehmen.

 

Milliardeninvestitionen und starke Tech-Unternehmen

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor der chinesischen KI-Strategie ist die staatliche Unterstützung. Mit einem 8,2-Milliarden-Dollar-Fonds für Start-ups sollen Innovationen beschleunigt werden, während private Tech-Giganten wie Alibaba, ByteDance und DeepSeek massiv in KI-Technologien investieren und deren praktische Anwendung vorantreiben. Das Zusammenspiel aus staatlicher Förderung und einem dynamischen Privatsektor macht China zu einem der spannendsten KI-Märkte weltweit.

 

Herausforderung – Technologische Abhängigkeit

Trotz dieser Fortschritte bleibt China in einem Bereich verwundbar: der Abhängigkeit von westlichen Hochleistungschips. Um diese Abhängigkeit zu überwinden, setzt die Regierung auf technologische Selbstversorgung (Self-Reliance). Dies beinhaltet Investitionen in die heimische Chipproduktion, den Ausbau von Open-Source-Plattformen wie OpenI sowie die Schaffung eines nationalen Datenmarktes, der die Grundlage für KI-Anwendungen und Robotik liefern soll.

Die Frage bleibt, ob China seine ehrgeizige KI-Strategie erfolgreich umsetzen und tatsächlich bis 2030 zur Weltspitze aufsteigen kann. Der Mix aus staatlicher Planung, Milliardeninvestitionen und einem innovationsstarken Privatsektor ist vielversprechend, aber entscheidend wird sein, ob China die technologischen Engpässe überwinden und gleichzeitig internationales Kapital anziehen kann.

 

 

Action Plan on Global Governance of Artificial Intelligence

Nur drei Tage nach der Veröffentlichung des „Winning the Race - America’s AI Action Plan“ präsentierte China auf der WAIC (World Artificial Intelligence Conference 26.07.2025) in Shanghai seinen „Action Plan on Global Governance of Artificial Intelligence“. Die beiden Pläne spiegeln die unterschiedlichen Ansätze der beiden führenden KI-Wettbewerber wider. Während der US-Plan sich auf die Sicherung der globalen KI-Dominanz und die „Exportierung“ amerikanischer KI-Technologien fokussiert, setzt China auf den Aufbau multinationaler Allianzen und ein starkes Bekenntnis zu den Prinzipien der Vereinten Nationen und internationalen Organisationen wie der ITU.

Chinas Plan strebt weniger kurzfristige technologische Vorherrschaft an, sondern verfolgt langfristige geopolitische Ziele, die vor allem den Globalen Süden ansprechen sollen, um seinen Einfluss auf globale KI-Regeln und -Normen auszubauen. Diese Entwicklung könnte sich künftig als entscheidender geopolitischer Faktor erweisen, wobei sich die beiden Nationen mit unterschiedlichen Vorstellungen von Technologie, Sicherheit und internationaler Zusammenarbeit gegenüberstehen.

Europa im KI-Wettbewerb – Herausforderungen, Chancen und Strategie

Während die USA und China bereits klare Strategien verfolgen und enorme Ressourcen in ihre KI-Infrastrukturen investieren, steht Europa noch am Anfang, eine kohärente und zukunftsfähige KI-Politik zu entwickeln. Der Kontinent hinkt bei der Entwicklung und Umsetzung von KI-Technologien hinter den beiden globalen KI-Tech-Giganten her.

Europas Schwächen im KI-Wettbewerb

Europa kämpft mit zwei wesentlichen Schwächen im globalen KI-Wettbewerb: langsame Entscheidungsfindung und eine unzureichende digitale Infrastruktur. Während die EU intensiv über die ethischen Implikationen von KI diskutiert, fehlen klare Anreize für Risikokapitalgeber und innovative Unternehmen. Diese langsamen Abstimmungsprozesse und das Fehlen eines klaren Handlungsplans erschweren es, schnell in die Entwicklung und den Ausbau von KI-Innovationen zu investieren. Zudem bleibt Europa im Ausbau von Rechenzentren und cloudbasierten Infrastrukturen zurück.

Europas Chancen im KI-Wettbewerb

Trotz dieser Herausforderungen gibt es für Europa erhebliche Chancen, vor allem in Bereichen, in denen es komparative Vorteile hat. Besonders im Maschinenbau und in der Fertigung, einem traditionellen Stärkebereich der europäischen und deutschen Industrie, liegt großes Potenzial für KI-Innovationen. Europäische und deutsche Unternehmen könnte in speziellen Nischenbereichen wie industrieller Automatisierung und Edge-Computing global führend werden, insbesondere mit kleineren, effizienteren KI-Modellen, die oft besser geeignet sind als die massenhaft entwickelten General-Purpose-Modelle aus den USA und China.

Europas KI-Geopolitik

Um im globalen Wettbewerb besser positioniert zu sein, sollte Europa einen echten digitalen Binnenmarkt schaffen, der die Fragmentierung überwindet und den Zugang zu KI-Lösungen über Grenzen hinweg erleichtert. Digitale Souveränität bedeutet nicht zwangsläufig, jede Technologie selbst zu entwickeln, sondern intelligente Entscheidungen darüber zu treffen, auf welche Technologien man angewiesen ist und unter welchen Bedingungen. Statt einen vollständigen europäischen IT-Stack zu entwickeln, sollte Europa strategische Partnerschaften suchen und sich auf Bereiche konzentrieren, in denen es langfristige Vorteile erzielen kann. 

 

Fazit & Ausblick

Der Wettlauf um die globale KI-Vorherrschaft hat bereits erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen: Halbleiterhersteller und Zulieferer kämpfen mit volatilen Märkten, während China als Reaktion auf Lieferverbote von Hochleistungschips Exportverbote für kritische Rohstoffe verhängt, die besonders die E-Mobilitätsbranche betreffen. Gleichzeitig sinken die Chancen auf ein globales Regelwerk für eine sichere KI-Entwicklung, während Unternehmen in Europa mit divergierenden regulatorischen und technologischen Anforderungen konfrontiert sind. 

 

Der internationale Dialog über KI-Sicherheitsstandards droht ins Stocken zu geraten, wobei China als unverzichtbarer Akteur für einen funktionierenden globalen Rahmen bleibt. Das Streben nach einem „Decisive Strategic Advantage“ (DSA) – einem entscheidenden Vorteil durch AGI – befeuert das Wettrennen weiter. Der KI-Wettlauf hat das Potenzial, die internationale Ordnung nachhaltig zu verändern. Entscheidend wird sein, ob es gelingt, geopolitische Rivalität und technologische Zusammenarbeit in ein Gleichgewicht zu bringen, bevor das Nullsummenspiel unumkehrbar wird.

 

Autor: Dirk Müller, VBU-Partner in Shanghai



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