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Führung virtueller Teams - anders und anspruchsvoller als bei lokalen Teams

© Pixabay system-927147_1280 Virtuelles Team

In jedem Führungshandbuch ist nachzulesen, daß die Führung einer Arbeitsgruppe, eines Teams grundsätzlich andere Qualitäten und Fähigkeiten erfordert als die eines Spezialisten, eines Experten, eines Assistenten oder eines Sachbearbeiters. Nicht umsonst gibt es dazu unzählige Führungsmodelle sowie Angebote an Führungsseminaren und Webinaren. Oft gehen diese Weiterbildungsangebote dabei vom Modell eines lokalen Teams aus, das am selben Standort zusammenarbeitet. Die Führung von virtuellen Teams ist in vielen Aspekten jedoch anders und deutlich herausfordernder.

 

Die Bedeutung des Chefs als Synapse  

Es ist eine Binsenweisheit, dass in jeder Arbeitsgruppe, in jedem Team dem Teamleiter, dem Chef oder der Chefin eine besondere Bedeutung zukommt. Symbolisch ausgedrückt ist der Team-Leiter der Klebstoff, die Synapse zwischen den einzelnen Team-Mitgliedern:

„Synapsen sind kleine Verbindungsstellen im Gehirn, über die elektrische Signale von einer Nervenzelle zur anderen weitergeleitet werden. Sie verbinden Nervenzellen im Gehirn mit Nervenzellen im Körper und nehmen daher eine wesentliche Aufgabe bei Denkprozessen, Gedächtnisbildung und Bewegung wahr.“ (Quelle: https://cordis.europa.eu)

Um dieses Bild aus der Medizin aufzugreifen: wenn Synapsen nicht funktionieren, liegt eine schwerwiegende Störung vor. Selbst ein Team aus hoch professionellen und autark arbeitenden Individuen, kann nicht erfolgreich sein, wenn der Teamleiter seine Rolle als „Synapse“, als Klebstoff, als Verbindungsglied zwischen den Team-Mitgliedern nicht oder nur unzulänglich ausfüllt.

Bei lokalen Teams ist Führung relativ einfach: man sieht sich täglich, arbeitet Büro an Büro oder gar Schreibtisch an Schreibtisch, man geht gemeinsam zur Kantine und oft teilt man sich auch Freizeitbeschäftigungen und Hobbys.

Im Gegensatz dazu ist die Führung eines virtuellen Teams, also eines Teams, das eben nicht in räumlicher Nähe, sondern an verschiedenen Orten, in verschiedenen Ländern oder gar in unterschiedlichen Kontinenten arbeitet, für den Team-Leiter, den Leitwolf, wie er oft apostrophiert wird, erheblich anspruchsvoller und resultiert in anderen Anforderungen an seine Führungsqualitäten.

 

Mitarbeiter arbeiten nicht im Raum nebenan

Neben arbeitstechnischen Kriterien stehen dabei vor allem Führungsfragen sowie zwischenmenschliche Beziehungen im Fokus.

Zwei einfache Beispiele können das verdeutlichen:

Kommunikation: In lokalen Teams ist diese relativ einfach: man trifft sich bei einem gemeinsamen Kaffee in der Cafeteria, um ein Problem zu besprechen oder der Chef schaut mal kurz beim Mitarbeiter vorbei, um sich über den Arbeitsfortschritt zu informieren. Virtuelle Teams haben jedoch keine gemeinsame Cafeteria und der Schreibtisch des Mitarbeiters steht möglicherweise auf einem anderen Kontinent und in einer anderen Zeitzone.

Mitarbeiterbeurteilung und -gespräche: In einem lokalen Team bekommt der Chef täglich mit, an was sein Team gerade arbeitet, wie die täglichen Probleme gelöst werden, oder wie die Performance der Mitarbeiter ist. Bei einem virtuellen Team ist das nicht der Fall. Der Chef ist auf Informationen aus räumlicher und zeitlicher Distanz angewiesen, von Problemen erfährt er möglicherweise zu spät und gefiltert und die Performance seiner Team-Mitglieder bekommt er nur indirekt durch Dritte mit.

Gerade in der Führung virtueller und erst recht internationalen Teams muss sich der Teamleiter zwingend auf diese anderen Umstände einstellen, wenn er mit seinem Team erfolgreich sein möchte, und wenn er an einem harmonischen Arbeitsumfeld und an Effektivität der Zusammenarbeit interessiert ist.

Die folgenden Aspekte zeigen aus langjähriger persönlicher Erfahrung in der Führung internationaler virtueller Teams die Unterschiede zur Führung lokaler Teams auf und geben wertvolle Tipps für erfolgreiche Teamführung.

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Fünf erfolgskritische Führungsaspekte

Klare Rollen und Verantwortlichkeiten: Jedes Teammitglied sollte wissen, welche Rolle es im Team spielt und welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten es hat. Achten Sie besonders in internationalen Teams auf eine ausgewogene und paritätische Team-Zusammensetzung. Für ein konstruktives Miteinander ist es wenig förderlich, wenn der Eindruck entsteht, daß die Teammitglieder eines Landes die anderen dominieren; die Teammitglieder anderer Länder werden sich garantiert als Mitglieder zweiter Klasse fühlen, auch wenn das nicht beabsichtigt ist.

Klare Ziele und Erwartungen: Definieren Sie klare Ziele und Erwartungen für das Team und jedes einzelne Mitglied. Dies hilft, Missverständnisse zu vermeiden und die Ausrichtung auf gemeinsame Ziele sicherzustellen. Ebenso hilft es Ihnen als Teamleiter, Arbeitsergebnisse transparent und messbar zu machen.

Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Virtuelle Teams arbeiten oft in unterschiedlichen Kulturen und Märkten. Flexibilität und die Fähigkeit, sich an verschiedene Situationen anzupassen, sind von entscheidender Bedeutung. Es gibt oft große kulturelle Unterschiede in Fragen wie Organisation, Durchführung von Meetings oder Entscheidungsfindung. Stellen Sie sich auf diese Unterschiede ein!

Präsenz und Erreichbarkeit des Vorgesetzten: Seien Sie präsent, seien Sie für Ihr Team erreichbar und kommunizieren Sie Ihre Erreichbarkeit. Nichts ist schlimmer, als ein Teamleiter, der oft tage- und wochenlang nicht erreichbar ist. Das schafft eine Entfremdung zwischen Teamleiter und Team. Womöglich werden notwendige Entscheidungen ungebührlich verzögert oder werden an anderer Stelle und nicht in Ihrem Sinne getroffen. Einmal aufgebautes Vertrauen löst sich durch Unsichtbarkeit des Teamleiters sehr schnell auf und gefährdet dadurch sowohl den Zusammenhalt als auch den Erfolg des Teams.

Entscheidungsfähigkeit: Sie sind der Teamleiter – Ihre Entscheidung ist gefragt und nicht die lange Bank! Gerade in virtuellen Teams kann nicht für alles und jedes ein Arbeitskreis geschaffen werden, welcher dann in wochen- und monatelangen Diskussionen versinkt.

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Fünf zwischenmenschliche Aspekte

Vorbildfunktion des Vorgesetzten: Die Vorgesetzten in virtuellen Teams müssen als Vorbilder agieren. Ihr Verhalten und ihre Arbeitsweise werden von den Teammitgliedern genau beobachtet. Wenn Vorgesetzte eine positive Einstellung zur Arbeit, zur Kommunikation und zur Teamarbeit zeigen, werden die Teammitglieder eher dazu motiviert, diese Einstellung zu übernehmen. Das bedeutet, dass Vorgesetzte

  • Pünktlichkeit und Verlässlichkeit demonstrieren sollten, um die Erwartungen an die Arbeitsmoral zu setzen
  • transparent, offen und regelmäßig kommunizieren sollten, um ein Klima des Vertrauens zu schaffen
  • Konflikte und Probleme professionell und konstruktiv angehen sollten
  • sich aktiv an der Teamarbeit und den gemeinsamen Zielen beteiligen sollten.

Kultureller Respekt: Virtuelle Teams können aus Mitgliedern unterschiedlicher kultureller Hintergründe und geografischer Standorte bestehen. Kultureller Respekt ist entscheidend, um effektiv zusammenzuarbeiten und Missverständnisse oder Konflikte zu vermeiden. Dies beinhaltet

  • das Erlernen und Respektieren der kulturellen Unterschiede, sei es in Bezug auf Arbeitsethik, Kommunikationsstile oder Geschäftspraktiken
  • die Sensibilität gegenüber kulturellen Unterschieden, um sicherzustellen, dass keine unbeabsichtigte Beleidigung oder Missinterpretation auftritt
  • die Bereitschaft zur Anpassung an kulturelle Unterschiede und zur Förderung einer inklusiven und respektvollen Teamkultur.

Die Vorbildfunktion des Vorgesetzten ist in Bezug auf kulturellen Respekt besonders wichtig. Wenn der Vorgesetzte kulturelle Sensibilität und Respekt zeigt, folgen die Teammitglieder in der Regel diesem Beispiel und schaffen eine positive, inklusive Arbeitsumgebung.

Vertrauen aufbauen: Virtuelle Teams sind oft geografisch verteilt, daher ist Vertrauen in die Teammitglieder von großer Bedeutung. Bauen Sie Vertrauen durch Offenheit, Ehrlichkeit und die Einhaltung von Vereinbarungen auf. Bleiben Sie regelmäßig im Kontakt und haben Sie ein offenes Ohr für jedes Teammitglied.

Motivation und Engagement: Virtuelle Teams benötigen eine extra Portion Motivation und Engagement. Anerkennung und Feedback sind wichtige Werkzeuge, um die Teammitglieder bei der Stange zu halten. Fördern Sie die kontinuierliche Schulung und Entwicklung der Teammitglieder, um sicherzustellen, dass sie über die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen, um effektiv in virtuellen Teams zu arbeiten.

Guter Kontakt zum lokalen Management: Bei internationalen Teams sind die Mitarbeiter Ihres virtuellen Teams gleichzeitig in die lokale Organisation eingebunden und haben dort intensiveren Kontakt als mit Ihnen. Sie sollten daher guten Kontakt mit dem lokalen Management pflegen und über die lokale Organisation und Abläufe gut Bescheid wissen.

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Fünf arbeitstechnische Aspekte

Reisebereitschaft: Auch in Zeiten zunehmender Home-Office-Tätigkeiten und von Online-Konferenzen ist der persönliche Kontakt zu und mit dem Team unerlässlich. Der Teamleiter muss sich darauf einstellen und bereit sein, einen Großteil seiner Arbeitszeit nicht im heimischen Büro, sondern auf Reisen und bei seinen Teams zu verbringen.

Zeitzonenmanagement: Wenn Ihr Team über verschiedene Zeitzonen verteilt ist, ist ein effektives Zeitzonenmanagement erforderlich, um sicherzustellen, dass alle Teammitglieder am richtigen Ort und zur richtigen Zeit arbeiten können. Wenn Sie etwa Teammitglieder in USA, Europa und Asien haben, ist das Zeitfenster für gemeinsame Telefon- oder Videokonferenzen in normaler Arbeitszeit nur wenige Stunden groß. Online-Konferenzen, bei denen manche Teammitglieder frühmorgens auf der Bettkante sitzen und andere gerade dabei sind zu Bett zu gehen sind wenig produktiv.

Klare Kommunikation: Eine klare und effektive Kommunikation ist entscheidend. Verwenden Sie verschiedene Kommunikationsmittel wie E-Mails, Videokonferenzen, Chat und Projektmanagement-Tools, um sicherzustellen, dass Informationen und Anweisungen verstanden werden.

Technologiekompetenz: Sie müssen mit den erforderlichen Technologien und Tools vertraut sein, um die Zusammenarbeit und Kommunikation im virtuellen Team zu ermöglichen und zu verbessern. Ein Teamleiter, der keine Online-Konferenz organisieren oder nicht professionell mit seiner E-Mail-Flut umgehen kann steht auf verlorenem Posten.

Krisenmanagement: Seien Sie auf unerwartete Herausforderungen vorbereitet und entwickeln Sie einen Plan für das Krisenmanagement. Dies ist besonders wichtig, wenn das Team international verteilt ist.

 

Fazit

Die aufgezählten Aspekte können je nach Branche, Team und Situation variieren und durch weitere ergänzt werden, sie bilden jedoch eine solide Grundlage für erfolgreiches Management virtueller Teams.

Ebenso zeichnet sich ein guter Teamchef dadurch aus, daß er selbst kontinuierlich und selbstkritisch an der Weiterentwicklung dieser Aspekte arbeiten sollte, um effektiver zu werden.

Sein Fachwissen als Experte ist weniger gefragt, dafür seine Kompetenz als Generalist und Teamleiter.

Die Vorbildfunktion des Vorgesetzten, der kulturelle Respekt und der ständige Kontakt zu seinem Team sind Schlüsselfaktoren für den Erfolg eines virtuellen Teams.

Oder um die Analogie in der Einleitung des Beitrags aufzugreifen: nur funktionierende Synapsen (sprich Teamleiter) verbinden die Zellen (die Teammitglieder) erfolgreich miteinander.

 

Literaturhinweise:

  • Riding the Waves of Culture: Understanding Cultural Diversity in Business (Fons Trompenaars und Charles Hampden-Turner)
  • When Cultures Collide: Leading Across Cultures (Richard D. Lewis)
  • The Art of War for Executives: Ancient Knowledge for Today's Business Professional (Donald G. Krause)

 

Über den Autor

Michael Starz ist Betriebswirt (VWA), freiberuflicher Unternehmensberater und Geschäftsführer der VBU Akademie und von ms pro:con Consulting, einer auf Beschaffung und Betriebswirtschaft spezialisierten Unternehmensberatung. Zudem ist er Ehrenrat im VBU, dem Verbund beratender Unternehmer und Vorstandsmitglied beim ESD, dem Europaverband der Selbständigen Deutschland. In seiner früheren Tätigkeit in einem internationalen Technologiekonzern war er verantwortlich für ein virtuelles weltweites Expertenteam im Bereich Einkauf.

Michael Starz | Erlenweg 11 | 71711 Murr
Tel: +49 (0) 7144 / 8960 993
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