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Mit staatlicher Förderung zu internationaler Wettbewerbsstärke

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Der sprunghafte Anstieg des Bedarfs an Schutzmasken wegen der Corona-Pandemie hatte in Europa deutlich gemacht, dass europäische Unternehmen im internationalen Wettbewerb aufholen müssen und Unterstützung benötigen. Gleichzeitig wurde aber auch schmerzlich klar, wie verwundbar wir durch die internationale Verflechtung und die teilweise hohe Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten sind.

Anhand eines Beispiels aus meiner Beratungspraxis zeige ich, wie ein kleines inhabergeführtes Unternehmen Fördermittel nutzte, um sich gegen den asiatischen Wettbewerb zu rüsten.

 

Ausgangssituation des Unternehmens 2020

Bei meinem Kunden handelt es sich um ein kleines produzierendes Unternehmen der Textilindustrie. Der etwa 50-jährige Alleingesellschafter und Geschäftsführer ist Diplomingenieur und hatte nach Beendigung seines Studiums 1996 eine Effektzwirnerei in den Neuen Bundesländern gegründet.

Das Unternehmen belieferte anfangs vor allem Hersteller von Heimtextilien mit Garnen, die durch spezielle Effekte zusätzliche Funktionen bieten konnten. Da die Produktion von Heimtextilien immer stärker nach Asien abwanderte, also Marktanteile in Deutschland und Europa in größerem Maße verloren gingen, sank auch der Bedarf an Vorprodukten wie den Garnen.

Hatte sich der Unternehmer zunächst durch kleinere innovative Verbesserungen im Produktionsprozess Wettbewerbsvorteile geschaffen, so hat er ab 2017 mit meiner Unterstützung durch die Entwicklungen innovativer technischer Textilien Nischen besetzt, die auskömmlichere Preise versprachen. Für diese Entwicklungsprojekte erhielt das Unternehmen Förderzuschüsse, so dass die Risiken reduziert und die Projekte professionell durchgeführt werden konnten.

Als nach Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 sich Hersteller von Schutzmasken in Deutschland etablierten, entschied sich der Inhaber, durch eine schnelle Investition in Produktionsanlagen für Bändchen für Schutzmasken an diesem boomenden Markt teilzuhaben. Da äußerst unsicher war, wie stabil diese Nachfrage bleiben würde, suchten wir frühzeitig nach Möglichkeiten, Wettbewerbsvorteile gegenüber den asiatischen Billiganbietern aufzubauen.

 

Der Markt

Das Marktvolumen für Schutzmasken war in Deutschland und in Europa bis zur Pandemie im Wesentlichen durch den Bedarf von Krankenhäusern bestimmt. Im privaten Bereich war die Nutzung von Schutzmasken eine absolute Ausnahme gewesen. Dies hatte sich durch die Pandemie grundlegend geändert, als Schutzmasken auch und vor allem durch Privatleute nachgefragt wurden.

 

V1 Schutzmasken iStock 1433383764

 

Das jährliche Produktionsvolumen von Masken als persönliche Schutzausrüstung (PSA) durch Maskenhersteller im deutschsprachigen Raum lag 2021 schätzungsweise bei etwa 500 Mio. Masken für Krankenhäuser und 800 Mio. Masken für Private. Während der Bedarf in Krankenhäusern als etwas stabiler eingeschätzt wurde, war klar, dass die Privatnachfrage je nach Entwicklung der Pandemie sich sehr schnell und sehr stark verändern kann. Damit war zu befürchten, dass sich in absehbarer Zeit die vorübergehend höheren Marktpreise wieder stark nach unten orientieren würden und die kurzfristig aufgebauten Kapazitäten auf lange Sicht Überkapazitäten darstellen würden. Es war also nach Ende der Pandemie ein ruinöser Preiswettbewerb für Schutzmasken zu erwarten und möglicherweise die Einstellung von Fertigungen in Europa.

Für diese Situation suchte das Unternehmen Lösungen, wie es Marktanteile verteidigen kann.

 

Die Idee

Das Unternehmen selbst stand nicht direkt im Wettbewerb mit einem anderen Hersteller von Bändchen. Vielmehr waren es deren Abnehmer, die mit asiatischen Herstellern von Schutzmasken im Wettbewerb standen. Deshalb suchten wir nach Möglichkeiten, wie wir die Abnehmer in deren Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Billiganbietern aus China mit unserem Angebot deutlich stärken konnten.

 

Innovation und Kundenbedürfnisse 4 1024

 

Nach Analyse der Wertschöpfungskette wurden folgende Ideen definiert, mit denen ein Entwicklungsprojekt durchgeführt werden sollte:

  1. Entwicklung eines umweltfreundlicheren Schutzmaskenbandes unter dem Namen BioBand: Es sollte biologisch abbaubar sein und gleichzeitig die mechanischen Eigenschaften bzw. die Funktionsanforderungen voll erfüllen. Der Hintergrund für diese Idee war, dass Schutzmasken ein typischer Wegwerfartikel waren: In Krankenhäusern wurden sie nach einmaligem Tragen entsorgt. Private Nutzer entsorgten sie nach mehrmaligem Tragen (selbst auf der Straße konnte man weggeworfene gebrauchte Schutzmasken finden).
  2. Das neu entwickelte Produkt sollte zum etwa gleichen Preis wie das alte Produkt angeboten werden können.
  3. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit war für Hersteller der Schutzmasken ein wesentlicher Faktor für die Preisermittlung. Deshalb wurde als weiteres Innovationsziel definiert, dass die Neuentwicklung das Hochgeschwindigkeitsschweißen ermöglichen muss, um so einen Kosteneinflussfaktor der Hersteller günstig zu halten.
  4. Eine weitere Möglichkeit, die Herstellungskosten der Maskenhersteller zu reduzieren, hatte das Unternehmen bereits mit den herkömmlichen Bändern realisieren können aufgrund seiner Erfahrung aus dem Garnbereich. Es betraf das Handling in der Anlieferung und der Bereitstellung des Materials am Ort der Verarbeitung.

 

Die Durchführung

Die innovative Idee sollte in einem geförderten Entwicklungsprojekt realisiert werden. Dazu wurde ein Technologiepartner benötigt, der die materialtechnische Entwicklung durchführen konnte. Mit einem Institut an der Technischen Universität Dresden wurde ein geeigneter Partner gefunden, der diese Aufgabe übernahm und dessen Arbeiten zu 100 Prozent gefördert wurden.

Eine Förderrecherche ergab, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK ein geeignetes Förderprogramm veröffentlicht hatte, das genutzt werden sollte. Dieses Programm namens PSA (Persönliche Schutzausrüstung) hatte zum Ziel Maßnahmen zu fördern, mit denen die deutschen Unternehmen dieser Branche im Wettbewerb mit asiatischen Anbietern gestärkt werden sollen. Das war genau auch die Zielsetzung meines Kunden.

 

Innovations Ziel Prozess 1024

 

In intensiven Arbeitssitzungen mit den Beteiligten wurde das Entwicklungskonzept so weit ausgearbeitet, dass der Förderantrag rechtzeitig vor Ausschreibungsende eingereicht werden konnte. Nach der Bewilligung des Projekts durch die Förderstelle konnte dann das Kick-off-Meeting mit dem Forschungspartner an der TU Dresden starten. Heute befindet sich das Unternehmen mitten in der Projektarbeit; und die Marktentwicklung zeigt, dass die damaligen Befürchtungen sehr berechtigt waren: Der Bedarf ist deutlich eingebrochen. Erfahrene Mitarbeiter können nun durch die Finanzierung  eines Großteils ihrer Kosten durch Förderzuschüsse am Projekt und damit an zukunftssichernden Entwicklungen arbeiten und müssen nicht in Kurzarbeit gehen. Nach Abschluss des Projekts wird man zudem über eine Innovation verfügen, mit der Anforderungen an umweltgerechte Projekte im Unterschied an das bisherige Projekt erfüllt werden können.

Das Projekt ist übrigens mit der Projektkurzbezeichnung BioBand auf der Website des BMWK unter https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Dossier/Innovative-Schutzausruestung/BestPractice-Bsp-InnoSchutz/14-1-3-innoschutz-best-practice-bioband.html als Beispiel für geförderte Projekte veröffentlicht. Das Band wird nicht nur für Schutzmasken, sondern auch als Bändchen für Sportschuhe oder für Fleischereien und ähnliche Einsatzzwecke eingesetzt werden können und auch dort eine nachhaltigere Lösung sicherstellen.

 

Zum Autor

Der Autor ist Mitglied im Kompetenzteam Fördermittel des Verbunds beratender Unternehmer VBU und unterstützt Unternehmen seit 25 Jahren bei Innovations- und Investitionsprojekten und deren Finanzierung. Das Kompetenzteam Fördermittel ist ein Zusammenschluss von Förderexperten verschiedener Fachgebiete. Bei Interesse können Sie einen kostenlosen Quick Check für Fördermittel für Ihre Entwicklungsprojekte unter https://vbu-berater.de/fordermittelanfrage anfragen oder auch den Autor gerne direkt unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. kontaktieren.

Robert Silberhorn, 28.09.2023

Bildquellen:

Business Pixabay - 1676138_640

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