Noch vor wenigen Jahren war die innerfamiliäre Übergabe die am häufigsten praktizierte Form der Unternehmensnachfolge. Heute ist dies statistisch zwar nur noch bei rund der Hälfte aller Familienunternehmen Deutschlands der Fall. Dennoch nimmt sie vor allem im Handel, der Industrie und dem verarbeitenden Gewerbe eine führende Rolle als Nachfolgemodell ein – Grund genug, dass wir sie mit Pro- und Contra in unserem heutigen Newsletter in den Fokus rücken.
Kennen Sie die?
Als illustrierende Einleitung zum Thema möchte ich Sie gern mit einigen der häufigeren Bonmots aus unserem Alltag bei KERN-Unternehmensnachfolge vertraut machen. „Blut ist dicker als Wasser“ oder „Mein Ältester erbt alles und zahlt die anderen aus“ gehören zu den Evergreens, oft gefolgt von „Ansagen schaffen Akzeptanz“ oder „Wozu ein Vorgespräch?“ bis hin zu „Ich werde weiter meine schützende Hand über Euch halten“. Wozu all diese Übungen? All diese Statements sind leider häufig Ausdruck eines Kommunikationsvakuums innerhalb familiengeführter Unternehmen. In Kombination mit einer fehlenden klaren zeitlichen Perspektive, keinen rechtlich definierten Regelungen für die Übergabe bis hin zum nicht synchronisierten Testament/Gesellschaftervertrag bieten sie reichlich Zündstoff für den innerfamiliären Frieden und gefährden so letztlich den Fortbestand Ihres Unternehmens. Es geht wirklich besser.
Die innerfamiliäre Nachfolge auf einen Blick
Bei dieser Form der Betriebsübergabe verbleiben sowohl die Führung als auch das Eigentum an der Firma in der Familie. In einem möglichst frühzeitig einzuleitenden Prozess werden ein oder mehrere Familienmitglieder im Idealfall ausgewählt und auf ihre neue Aufgabe vorbereitet. Die Anforderungen an einen familieninternen Nachfolger sind dabei mindestens so hoch wie die Bedingungen, die an einen Fremdgeschäftsführer gestellt werden. Wesentlich für den Erfolg einer familieninternen Übergabe ist die persönliche Motivation des Übernehmers. Der Übernehmer sollte für die Aufgabe und »sein/ihr« Unternehmen brennen sowie eine entsprechende Ausbildung und Führungserfahrungen aus anderen Unternehmen vorweisen. Da geht es los, das benötigt Zeit und Vorbereitung unabhängig
Nachfolgemodelle in der Familie
Ein Generationswechsel innerhalb der Familie kann unentgeltlich oder entgeltlich erfolgen. Folgende Nachfolgemodelle in der Familie gibt es:
- Unentgeltliche Übertragung durch Schenkung
- Entgeltliche Übertragung
- Durch Übernahme einer Rentenverpflichtung
- Im Rahmen eines Nießbrauch-Modells
- Unternehmensverkauf in der Familie
1. Die Schenkung
Wird diese Form der unentgeltlichen Übertragung gewählt, ist ein besonderes Augenmerk auf erbschaftssteuerliche Aspekte zu legen. Gerade bei etwas größeren Familienbetrieben ab einem Unternehmenswert von mehr als 3 Millionen Euro könnte dies relevant werden.
2. Das Renten-Modell
Die Übernahme eines Unternehmens auf Basis eines Renten-Modells ist eine eher komplexe Angelegenheit. Sie löst eine regelmäßig wiederkehrende Zahlung aus, muss bilanziert werden und kann zu einer erheblichen Belastung für das Unternehmen führen. Die Laufzeit der Rente richtet sich entweder nach der Lebenszeit eines Menschen (Leibrente) oder sie ist zeitlich begrenzt (Zeitrente). Typische Fälle von Rentenverpflichtungen sind Kaufpreisschulden, die als Leib- oder Zeitrente geleistet werden.
Insbesondere von Renten-Modellen würden wir abraten, da eine Übernahme einer Rentenverpflichtung nicht für eine echte Trennung der Generationen vom Unternehmen sorgt. In unseren Augen ist eine Rentenverpflichtung wirtschaftlich nicht kalkulierbar und immer eine Wette auf die Zukunft. Ein kleines Beispiel: Der Senior übergibt mit dem Tag seines 65. Geburtstages seine Firma gegen eine jährliche Leibrentenverpflichtung von 50.000 Euro.
- Fall 1 – Der Übergeber gewinnt die Zukunftswette
Wird der Senior hundert Jahre alt (was heutzutage gar nicht mehr so ungewöhnlich ist), bezahlen der oder die Übernehmer im Verlauf von 35 Jahren rund 1,75 Millionen Euro an den Übergeber. In diesem Fall: Ist das Unternehmen dies wert? Was passiert, sollte die Ertragslage des Unternehmens eine Rentenzahlung in dieser Höhe nicht erlauben? Was passiert im Fall einer Insolvenz? Im schlimmsten Fall muss die nachfolgende Generation den Übergebern erläutern, dass die Rente irgendwann (zeitweise oder dauerhaft) ausbleibt. Eine solche Situation kann das Band der innerfamiliären Liebe sehr stark spannen.
- Fall 2 – Der Übernehmer gewinnt die Zukunftswette
Verstirbt der Übergeber oder weitere Rentenempfänger im Jahr der Übergabe des Unternehmens, hätte der Übernehmer die Firma für nur 50.000 Euro »erworben«. Damit hätte er die Wette auf die Zukunft klar gewonnen. Auch wenn es rechtlich völlig in Ordnung ist, kann eine solche Lösung zu erheblichen innerfamiliären Konflikten mit weiteren Hinterbliebenen sorgen.
3. Nießbrauch-Modelle
In der Vergangenheit erfreute sich die Nießbrauch-Regelung insbesondere bei kleineren Familienunternehmen oder landwirtschaftlichen Betrieben großer Beliebtheit. Schließlich kann der Übergebende durch den Nießbrauch die Firma erbschaftssteuergünstig übertragen, Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen und weiterhin von den Erträgen des Unternehmens profitieren.
Die folgenden zwei wesentlichen Gründe sprechen aber gegen die Anwendung dieser Regelung:
- Interessenkonflikte: Bei Nießbrauch-Regelungen kann es insbesondere bei einer unglücklichen Ausgestaltung des Nießbrauchs zu massiven Interessenkonflikten kommen. Im Zweifel hat die Übergeberseite einen bedeutsamen Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen. Dies kann zu erheblichen Konflikten mit den Übernehmern in operativen und strategischen Fragen führen. Beispielsweise kann ein Übergeber an einem möglichst hohen Nießbrauch interessiert sein, während der Übernehmer das Unternehmen durch den Nießbrauch verringernde Zukunftsinvestitionen sicher aufstellen will.
- Wirtschaftliche Unkalkulierbarkeit: Der Nießbrauch ist ähnlich wie die Pacht eine Wette auf die Zukunft. Sowohl für Übergeber als auch Übernehmer ist diese Variante der Übergabe wirtschaftlich nicht seriös zu kalkulieren. Die unterschiedlichen Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Unternehmens-übergabe mit Nießbrauch lassen die erbschaftssteuerlichen Vorteile in einem anderen Licht erscheinen: Nach einem Urteil des BFH birgt der Vorbehalt eines Nießbrauchs bei der Unternehmensübergabe an die nächste Generation das nicht unerhebliche Risiko einer Versagung der steuerneutralen Buchwertfortführung (BFH vom 25.01.2017 – X R 59/14, DB 2017, S. 1813). Einkommensteuerlich würde die Übertragung dann beim Übergeber wie ein Firmenverkauf zum Verkehrswert behandelt. Da der Übergebende keinen korrespondierenden Mittelzufluss aus einer Kaufpreiszahlung hat, müsste er die Einkommenssteuer aus anderen Quellen bezahlen.
4. Unternehmensverkauf in der Familie
Wird der innerfamiliäre Unternehmensverkauf als Nachfolgeoption gewählt, orientiert sich der Verkaufsprozess in wesentlichen Schritten wie nachfolgend beschrieben. Insbesondere die Prüfungsphase und die Gestaltung der Absichtserklärungen und Kaufverträge sind ähnlich wichtig wie bei einem Verkauf an einen familienfremden Dritten.
Familienexterne Unternehmensnachfolge
Hierbei geht sowohl die Führung als auch das Eigentum an einen Dritten über. Dies erfolgt üblicherweise über einen Verkauf:
- An Dritte wie z. B. Mitbewerber, Unternehmen der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette oder Beteiligungsgesellschaften.
- Im Rahmen eines Management-Buy-Out (MBO) an ein oder mehrere Mitarbeiter. Von Vorteil ist hierbei, dass der Nachfolger mit dem Unternehmen vertraut ist und der Inhaber seinen Nachfolger aus der täglichen Arbeit kennt. Einschränkend ist anzumerken, dass gute Mitarbeiter nicht immer gute Unternehmer sein müssen.
- Durch einen Management-Buy-In (MBI) an externe Führungskräfte oder Manager. Bei dieser Form der Übergabe spielen neben der persönlichen Eignung auch eine entsprechende fachliche Qualifikation und die notwendigen finanziellen Mittel eine Rolle. Hilfreich ist, wenn der neue Chef zur Unternehmenskultur der Firma passt.
Auch möglich: Mischformen der Unternehmensnachfolge
Wir sprechen von Mischformen der Nachfolge, wenn entweder das Eigentum oder die Führung teilweise oder vollständig an Dritte übergehen. Dies erfolgt im Rahmen:
- des Fremdmanagements, bei dem die Familie die Geschäftsführung einem familienfremden Dritten überträgt und nicht mehr am operativen Geschäft beteiligt ist. Somit verbleiben strategische Entscheidungen und auch die Genehmigung der Jahresabschlüsse in der Hand der Familie. Zentrale Erfolgsfaktoren sind neben der Qualifikation die Integrität des Fremdgeschäftsführers und das gegenseitige Vertrauen der Beteiligten.
- der Beteiligung von fremden Dritten wie z. B. strategischen Investoren, Beteiligungsgesellschaften oder bei größeren Unternehmen einem Börsengang. Diese Form ist besonders für die schrittweise geplante Nachfolge geeignet, da der Altunternehmer mit dem Veräußerungserlös seine Altersvorsorge sichern und ausbauen oder andere Investments eingehen kann. Gleichzeitig ermöglicht eine solche Drittbeteiligung neue Wachstumsperspektiven oder eine Möglichkeit für einen schrittweisen MBO oder MBI.
- einer Stiftung, die das Familienvermögen zusammenhält. Eine Stiftung kann in Form einer eigennützigen, auf individuelle Familienzwecke ausgerichteten oder auch als gemeinnützige Stiftung gegründet werden. Eine Stiftungslösung ist meist nur für größere Unternehmen mit einem geplanten Stiftungsvermögen von deutlich mehr als 10 Millionen Euro sinnvoll. Für die Gründung, die Aus-gestaltung und das Management einer Stiftung sind auf jeden Fall versierte Stiftungsexperten hinzuzuziehen. Aufmerksame Rezipienten unseres Blogs haben wir bereits an vorhergehender Stelle über die attraktiven Gestaltungsmöglichkeiten einer Stiftung informiert – Allen anderen interessierten Lesern empfehle ich die Lektüre unseres Beitrages „Stiftung und andere Möglichkeiten, die Nachfolge zu lösen“ wärmstens.
- einer Verpachtung. Von dieser Nachfolgelösung ist eindeutig abzuraten, da damit das Nachfolgeproblem nicht gelöst wird. Denn der Unternehmenserfolg sowie das wirtschaftliche Risiko verbleiben hierbei letztlich beim Alteigentümer.
Aber welches Nachfolgemodell ist für mich und meine Familie überhaupt geeignet?
Wie anfangs schon erwähnt: Für Generationswechselprozesse gilt grundsätzlich „Reden ist Gold!“
Denn wer seine Wünsche und Vorstellungen nicht aktiv kommuniziert kann böse Überraschungen bis hin zur Existenzgefährdung für das Familienunternehmen und massive Vermögensschaden erleben. Aus unserer Erfahrung bei KERN – Unternehmensnachfolge wissen wir, dass Kinder das Familienunternehmen meist nicht aus der eigenen Motivation übernehmen. Vielmehr erfüllen sie über den Einstieg in die Firma oft die Erwartungshaltung ihrer Eltern. Brennen Ihre Kinder allerdings nicht für diese Aufgabe und Ihr Familienunternehmen, ist dies eine denkbar schlechte Übergabevoraussetzung – eine vermeidbare Konstellation.
Deshalb vorausschauend Planen und gemeinsam Strukturen entwickeln
Es empfiehlt sich ein moderierter (Familien-)Workshop, bei dem die persönlichen Ziele und Bedürfnisse der Beteiligten im Mittelpunkt stehen. Im Rahmen eines strukturierten Prozesses erfahren Sie, an welchen Stellen Sie was und wie für sich und den anstehenden Prozess tun können. Sie und Ihre Familie beleuchten die jeweilige Ausgangssituation und entwickeln persönliche Ziele über die Übergabe hinaus. Hierbei reflektieren Sie auch ihre eigenen »Fallstricke«, die Sie bisher von einer Lösung abgehalten haben. Wichtig: Auch in diesem Gruppenformat ist die Vertraulichkeit sichergestellt. Sie müssen keine persönlichen Anliegen offenlegen, sondern sind vollkommen geschützt und sicher mit Ihren eigenen Themen betraut. Am Ende des Tages entsteht ihre individuelle Vorgehensweise und ein Meilensteinplan für den Generationswechsel ihres Familienunternehmens.
Fazit:
Wie so oft: Gut Ding braucht Weile - Planen Sie deshalb ihre innerfamiliäre Nachfolge rechtzeitig. Etwa 5-10 Jahre vor der geplanten Übergabe verfügen Sie über alle Optionen für die optimale Ausgestaltung ihres Nachfolgeprozesses. Und: Ein von einem neutralen, transaktionserfahrenen Moderator/ Mediator begleiteter Familien-Workshop ist für die Entwicklung ihrer individuellen und erfolgreichen Nachfolgestrategie nicht nur wertvoll, sondern auch sehr zu empfehlen.
Herzlichst, Ihr Wolfgang Bürger
Sie haben vertrauliche Fragen zu ihrer innerfamiliären Nachfolge? Schreiben Sie mir gern - Ich freu mich auf Ihre Zuschriften per E-Mail an:
Autor:
Wolfgang A. Bürger
Rechtlich selbständiger Partner bei KERN, Unternehmensnachfolge. Erfolgreicher.
Verantwortlich für die Standorte Nürnberg und Würzburg
Mail:
Handy: +49 178 6844 292