Können Sie auf die Frage nach dem Unternehmenswert Ihrer Firma eine konkrete Antwort geben? In der Regel antworten nur wenige Unternehmer mit nur einem Betrag, der sich dann aber oft auch als eine Verkaufspreiserwartung entpuppt. Sogar gestandene Firmeninhaber werden bei der Beantwortung dieser Frage unsicher. Die häufigste Antwort lautet: „Der Gewinn des letzten Jahres multipliziert mit mindestens fünf bis sieben plus der Summe aller Vermögensgegenstände.“ - So viel als Einstieg zur Verkäufer-Perspektive.
Auf der anderen Seite bestimmt für die meisten Firmenkäufer einzig und allein der zukünftige, übertragbare Ertragswert den Wert einer Firma. Der Kaufpreis selbst stellt also in 99 Prozent aller Fälle nicht den realen Firmenwert dar, sondern reflektiert den Wert, den ein Käufer zahlen will - Willkommen im Spannungsfeld der Unternehmensbewertung!
Überhöhter Kaufpreis durch die sogenannte Herzblut-Rendite
Während Unternehmer neben den Sachwerten auch Ihre Lebensleistung, also ihre Arbeit und ihr Herzblut bewerten, die sie in die Firma investiert haben, denkt ein Erwerber in erster Linie daran, welche Gewinne er mit dem Unternehmen in Zukunft erwirtschaften kann. Aufgrund dieses unterschiedlichen Blickwinkels kommen beide Seiten nicht selten zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen.
Mit der Erstellung einer Planungsrechnung für zumindest die kommenden drei Jahre tun sich außerdem viele Unternehmensinhaber schwer. Dieser Ausblick ist aber von großer Bedeutung, denn es gilt: Für die Vergangenheit zahlt der Kaufmann nichts!
Auch wenn Unternehmenswert und Kaufpreis nicht das Gleiche sind, besteht doch ein sehr enger Zusammenhang zwischen den beiden. Die glaubwürdige Herleitung des Ertragswerts dient damit nicht nur der Festsetzung der Kaufpreisforderung, sondern in den späteren Verhandlungen auch der Durchsetzung eines attraktiven, passenden Kaufpreises.
Um als Verkäufer zu einer plausiblen und gleichzeitig fundierten Kaufpreisforderung für die anstehenden Gespräche mit potenziellen Käufern zu gelangen, ist daher eine professionelle Unternehmensbewertung erforderlich. Der über eine gut valide Unternehmensbewertung ermittelte Kaufpreiskorridor bietet einen Verhandlungsrahmen. Aber welche Bewertungsverfahren nutzt man für die Erstellung einer Unternehmensbewertung?
Fünf verschiedene Methoden der Berechnung
Die Verfahren zur Unternehmensbewertung lassen sich auf verschiedene Weise klassifizieren. Zum einen können Unternehmensbewertungen für die Fortführung oder die Auflösung einer Firma unterschieden werden. Für die Auflösung eines Unternehmens sollte der Liquidationswert als eine Form der Substanzwert Methoden verwendet werden.
Des Weiteren kann eine unterschiedliche Datenbasis für die Bewertungen herangezogen werden. Die Substanzwertmethode verwendet hierzu Bilanzdaten, während Ertragswert- und Discounted Cashflow Methoden Daten aus der GuV verwenden. Im Folgenden eine Kurzvorstellung der fünf gängigsten Bewertungsverfahren.
1. Die Zukunft im Blick – Das Ertragswertverfahren
Neben dem Substanzwert- und Multiplikatorverfahren wird in Deutschland insbesondere das Ertragswertverfahren für die Bewertung von Unternehmen angewendet. Dies ist ein von Wirtschaft, Kammern und Finanzbehörden akzeptiertes Verfahren, das bei der Berechnung des Unternehmenswertes die Ergebnisse der Vergangenheit bereinigt, um anschließend eine möglichst plausible Zukunftsentwicklung zu prognostizieren.
Denn die Ergebnisse des Ertragswertverfahrens sind wesentlich abhängig von einer möglichst objektivierten Einschätzung der zukünftigen Überschüsse der Firma. In der Folge ist die realistische Risikoabschätzung für den zu ermittelnden Kapitalisierungszinsfuß besonders wichtig.
2. Die Substanzwert-Methode
Der Substanzwert kann für eine Unternehmensfortführung oder eine Unternehmensauflösung berechnet werden. Bei letzterer wird der Liquidationswert berechnet. Um den Liquidationswert zu berechnen, werden die Marktwerte aller bilanzierten und nicht bilanzierten Vermögenswerte addiert und alle ausstehenden Verbindlichkeiten abgezogen, denn diese müssen von dem Verkaufserlös bedient werden.
Zusätzlich müssen alle durch die Liquidation entstandenen Kosten abgezogen werden. Der Vorteil des Substanzwertverfahrens ist eine einfache Berechnung des Wertes einer Unternehmensauflösung. Zudem kann dieses Bewertungsverfahren als Untergrenze des Unternehmenswertes bei Unternehmensfortführung dienen.
Der eigentliche Substanzwert oder Fortführungsstatik basiert nicht auf der Annahme einer Zerschlagung des Unternehmens. Es handelt sich hierbei um folgende Opportunitätskostenbetrachtung: Der Wert des Unternehmens entspricht den Kosten, die bei der Erschaffung einer exakten Kopie des Unternehmens entstehen würden. Also wenn auf ein gleichwertiges Grundstück mit gleichwertigen Immobilien und mit gleichwertigen Maschinen gekauft werden würde.
Das bedeutet, der Substanzwert basiert auf dem Wiederbeschaffungsaltwert des bilanzierten Vermögens und des nicht bilanzierten Vermögens.
Zu unterscheiden ist der Wiederherstellungswert hierbei vom Liquidationswert. Letzterer entsteht durch die Zerschlagung des Unternehmens und dem darauf folgenden Verkauf der einzelnen Elemente.
Der Liquidationswert entspricht dabei dem Betrag, der durch die Zerschlagung des Unternehmens sowie dem anschließenden Einzelverkauf erzielt werden kann.
Der Liquidationswert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens kann zusätzlich angesetzt und das Fremdkapital muss abgezogen werden. Das Substanzwertverfahren hat weiterhin den Vorteil, dass von einem fortgeführten Unternehmen ausgegangen wird, was bei den meisten Unternehmenstransaktionen der Fall ist.
Allerdings wird ein wichtiger Faktor nicht betrachtet: das „Know-how“ des eingespielten Unternehmens. Denn Arbeitsabläufe und geschultes Personal mit Erfahrung an diesen Maschinen lassen sich weder kopieren noch bewerten.
3. Das Discounted Cashflow Verfahren (DCF-Verfahren)
Bei der Discounted Cashflow Methode werden die freien (verfügbaren) Cashflows als Ausgangspunkt für die Unternehmensbewertung verwendet. Der Unternehmenswert entspricht dabei der Summe der mit einem risikoadäquaten Zinssatz abgezinsten freien Cashflows.
Für die Schätzung der freien Cashflows können die Geschäftspläne der folgenden Jahre individuell erstellt werden. Alternativ kann das Wertgeneratoren Verfahren von Rappaport angewendet werden. Hierbei wird ausgehend von aktuellen Daten wie Umsatz, Umsatzrendite und Investitionen ins Working Capital und einem geschätzten zukünftigen Umsatzwachstum die Freien Cashflows berechnet.
Das DCF-Verfahren kann in 2- oder 3-Phasen-Modellen angewendet werden. In der ersten Phase werden die Cashflows für die nächsten 5 bis 10 Jahre individuell geschätzt. In der jeweils letzten Phase wird von einem gleichbleibenden freien Cashflow ausgegangen.
Die Zwischenphase im 3-Phasen-Modell soll einen Übergang zwischen der letzten geplanten Phase und der Restwertphase plausibel modellieren. Hierbei wird meistens von einer linearen oder exponentiellen Diffusion der Cashflows über 3 bis 5 Jahre ausgegangen.
Der Vorteil der Discounted Cashflow Methoden ist, dass es sich auf aktuelle Unternehmenszahlen stützt. Dadurch wird die Ausgangssituation bestmöglich modelliert. Allerdings hängt der Unternehmenswert stark von 2 Faktoren ab, dem risikoadäquaten Diskontzinssatz und der freien Cashflows in der ersten Phase. Eine falsche Schätzung dieser führt zu großen Abweichungen.
4. Das Multiplikatorverfahren
Die Multiplikatormethode ist eine grobe Schätzung des Unternehmenswerts. Hierbei werden der Börsenwert und in der Vergangenheit getätigte Unternehmenstransaktionen analysiert und mit Bilanzkennzahlen in Verbindung gesetzt. So haben sich gängige Multiplikatoren entwickelt. Für eine genaue Bestimmung des richtigen Multiplikators werden nur die Unternehmenstransaktionen von vergleichbaren Unternehmen verwendet, die sogenannte Peer-Gruppe.
Diese Verfahren eignen sich besonders für eine Plausibilitätsprüfung des mit anderen Verfahren berechneten Unternehmenswerts. Gleichwohl bilden die öffentlich zugänglichen Multiplikatoren immer nur Bewertungskorridore vergangener Transaktionen ab. Da ein Unternehmen nicht beliebig vergleichbar ist, müssen entsprechende Bereinigungen und Plausibilisierungen im Vorfeld einer Multiplikator Bewertung vorgenommen werden. Dies gilt es zu berücksichtigen.
5. Die Venture-Capital-Methode
Mit der Venture-Capital-Methode können Start-ups bewertet werden. Der Wert dieser Unternehmen liegt in der Entwicklung neuer Konzepte und Technologien, nicht in Vermögenswerten, Umsätzen oder positive Cashflows. Daher können die vorangegangenen Bewertungsverfahren nicht angewendet werden.
Deshalb wird zuerst der Wert des Unternehmens zu einem Zeitpunkt berechnet, an dem es mit anderen Unternehmen vergleichbar ist, zum Beispiel in 10 Jahren. Dieser Unternehmenswert wird dann über die angenommene Dauer diskontiert. Allerdings wird ein höherer Diskontzinssatz verwendet als bei etablierten Unternehmen, denn das Risiko ist wesentlich höher.
Da eine zahlenfreie Bewertung oftmals nicht zielführend sein kann, wird im deutschsprachigen Raum oftmals auf die Venture-Capital-Methode verzichtet und stattdessen die oben beschriebene DCF-Methodik eingesetzt.
Unternehmensbewertung nach den Grundsätzen des IDW
Branchenübliche Multiplikatoren reichen zur Ermittlung eines Unternehmenswertes oft nicht aus, da sie nicht auf den Einzelfall zugeschnitten und teilweise veraltet sind. Zur Ermittlung einer Unternehmensbewertung nach den Grundsätzen des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) analysieren wir bei KERN Unternehmensnachfolge die Jahresabschlüsse der vergangenen drei Geschäftsjahre und erstellen mithilfe der Unternehmensplanung der kommenden vier Jahre einen Ertragswert.
Der Ertragswert ist identisch mit den auf den Bewertungsstichtag abgezinsten, zukünftig zu erzielenden ausschüttungsfähigen Erträgen. Die Abzinsung erfolgt dabei mittels eines an das jeweilige unternehmerische Risiko angepassten Zinssatz.
Die Grundsätze des IDW sind das IDW-S1 = Ertragswertverfahren. Dabei handelt es sich um die vom Finanzamt akzeptierte Methode der Unternehmensbewertung und schließt die typischen Fehler einer Multiplikator Bewertung durch eine fundierte IDW-S1 aus.
Fazit
In vielen Fällen haben Unternehmer nur grobe oder zum Teil falsche Vorstellungen, welcher Veräußerungserlös für ihr Unternehmen realistisch ist. Zudem gilt es, einen Überblick über die entscheidenden Faktoren bei den Bewertungsmethoden zu bewahren:
Für Familienunternehmen empfehlen wir bei KERN Unternehmensnachfolge in den meisten Fällen die Ermittlung auf Basis des Ertragswertverfahrens.
Mein Praxis-Tipp:
Prüfen Sie auch rechtzeitig die Optionen bei der Firmenkäufer-Finanzierung, Stichwort: Eigenkapital-/Liquiditätsmangel auf der Käuferseite. Je solventer ein potenzieller Erwerber ist, desto vorteilhafter ist es für den Verkäufer. Gleichwohlsind Einmalzahlungen bei Unternehmenskäufen aufgrund der Komplexität der Transaktion und der damit einhergehenden Informationsasymmetrie zwischen Käufer und Verkäufer nicht die Regel, sondern erfordern oft gestaffelte Zahlungen. Durch diese Staffelung entsteht temporär eine ausgewogene Interessenlage, da beide Seiten für einen bestimmten Zeitraum gemeinsam in der Firma investiert sind und somit auch ein gemeinsames Interesse am unternehmerischen Erfolg haben. Dies kann bspw. durch Earn-Out-Klauseln oder Verkäuferdarlehen realisiert werden.
Earn-Out-Klauseln sind ein flexibler Kaufpreisteil, der zu einem späteren Zeitpunkt erfolgsabhängig bezahlt wird. Ein wesentlicher Grund für Earn-Out-Klauseln besteht in unterschiedlichen Erwartungen an die zukünftige Ertragskraft des Unternehmens. Somit unterstützt er, Preisdifferenzen zu überbrücken, indem eine Risikoverteilung zwischen den Parteien vorgenommen wird. Alternativ zum Earn-Out bietet sich auch ein Verkäuferdarlehen an, um Kaufpreisdifferenzen zu überwinden oder die Finanzierung beim Unternehmensverkauf zu erleichtern.
Die richtige Vorbereitung, eine umfassende Unternehmensbewertung und die Berücksichtigung steuerlicher und rechtlicher sowie wirtschaftlicher Aspekte bilden die Basis erfolgreicher Unternehmenskäufe und -verkäufe. Mit dem Know-how erfahrene Berater an Ihrer Seite können die Phasen einer Transaktion – von der ersten Einschätzung bis zum erfolgreichen Abschluss – effizient und zielgerichtet meistern. Ich freue mich auf Ihr Feedback!
Autor:
Wolfgang A. Bürger
Rechtlich selbständiger Partner bei KERN, Unternehmensnachfolge. Erfolgreicher.
Verantwortlich für die Standorte Nürnberg und Würzburg
Mail:
Handy: +49 178 6844 292