Das Dramadreieck als Phänomen ist eine Art Menschheitsgeschichte. Es beschreibt die klassischen Rollen eines Täters, eines Opfers und eines Retters. Als Begriff ist es im wissenschaftlich-psychologischen Kontext entstanden. Im Prozess, ein Unternehmen abzugeben, spielen sich ebenfalls oft Dramen ab. Hier geht es um das Dramadreieck von Loslassen, Übergabepreis ermitteln und Nachfolger finden.

Von der Schwere des Loslassens

 „Das wird sich alles beizeiten finden“, sagte noch vor einem halben Jahr Bernd S, Mitte 60 und extrem erfolgreicher Unternehmer in der Versicherungsbranche. Er meinte damit, dass es ja wohl noch Zeit sei, sich aktiv um einen Generationenwechsel seines mittelständischen Unternehmens zu kümmern. Gesundheitlich hier und da angeschlagen, ist Bernd S. dennoch ein Kämpfertyp. Aufgeben, Abgeben gehört nicht in sein Vokabular. „Der Laden läuft ja, warum also Eile an den Tag legen?“

Mit seinem jüngeren Geschäftspartner, dem er insgeheim eines fernen Tages seine Anteile veräußern will, hat er ständig Kniest. „Der Alte“, also Bernd S., meint: „Das tut´s doch noch“. „Der Junge“ bzw. der Geschäftspartner von Bernd S. aber sieht die kolossalen Veränderungen, die sich in der Branche einstellen und will das Unternehmen neu ausrichten. Bernd S. fühlt sich in die Enge getrieben und „bockt“. Er kann sich nicht eingestehen, dass seine Zeit abläuft und er das Ruder beizeiten in jüngere Hände übergeben sollte. Jung und Alt verhandeln über eine marktgängige Ablösesumme.

Und was tut Bernd S? Um den Prozess des Loslassens von Macht, Gestaltungswillen, Erfolg und gesellschaftlichem Ansehen aufzuhalten, treibt er lieber den zu verhandelnden Verkaufspreis dermaßen in die Höhe, dass der Nachfolgekandidat sich übervorteilt fühlt und mit dem Scheitern der Nachfolge droht. So geht alles seinen Gang. Die Differenzen zwischen den beiden Häuptlingen nehmen zu. Bald grüßen sich die beiden Kontrahenten nur noch schmallippig auf dem Büroflur, jeder von ihnen verschwindest schnellstmöglich in seinem Büro. Die miese Stimmung überträgt sich in Windeseile auf die gesamte Belegschaft des mittelständischen Unternehmens. Ein guter Nährboden für jede Menge Gerüchte, die den gesamten Betrieb in Mitleidenschaft zu ziehen drohen. Mittendrin der „Alte“, der wie ein Kapitän eines havarierten Schiffes sein Ruder fest in der Hand hält, aber keine Seemeile mehr vom Fleck kommt.

Im Widerstreit der Interessen: Den richtigen Übergabepreis ermitteln       

Eine versierte Vermittlungsperson lehnt der Senior ab. Eine solcher Vermittler könnte nicht nur die beiden Geschäftspartner wieder an einen Tisch bringen, sondern auch das Unternehmen als neutraler Fachmann auf Stärken und Schwächen, auf die Marktposition und die Zukunftstauglichkeit des Betriebes untersuchen. Der Senior aber fühlt sich angegriffen: „Keiner kennt den Laden besser als ich“. Sicher hat er damit Recht, nachdem er das Unternehmen vor annähernd vierzig Jahren übernommen und äußerst erfolgreich geführt hat.

Und so rechnet Bernd S.: "In siebenunddreißig Jahren habe ich durchschnittlich pro Jahr einen Vorsteuergewinn von Euro X erwirtschaftet". Milde, wie er sich gibt, will er aber gar nicht den Durchschnitt der letzten siebenunddreißig Jahre als Verkaufserlös auf seinem Konto sehen, sondern reduziert diesen Phantompreis um 20%, weil er ja dem Geschäftspartner nicht zu viel Last aufbürden will. Hinweise des Geschäftspartners als auch des konsultierten Branchenverbandes ignoriert Bernd S. Hinweise darauf, dass die Vergangenheit sicherlich zu berücksichtigen sei, dass aber angesichts des Status Quo jetzt doch eher den Zukunftsaussichten Rechnung zu tragen sei.

Der durchaus realistische Ablösebetrag, den der Geschäftspartner mit dessen Wirtschaftsprüfer und zwei Unternehmensberatern ermittelt hat, werden vom Senior als „reine Luftnummer“ abgekanzelt. Im Blick hat der Senior seinen eher aufwendigen Lebensstil, den er bei einer selbst geäußerten Lebenserwartung von 85 Jahren nicht nur halten will, sondern außerdem nicht weiß, was „die heutigen Zeiten“ noch für Notsituationen heraufbeschwören könnten. Für diese Zeiten müsse er vorsorgen. Das Tischtuch scheint zwischen dem abgebenden und dem übernehmenden Unternehmer für immer zerschnitten zu sein. Der Junior wendet sich ab.

Zwischenzeitlich schaltet sich der Steuerberater des Seniors ein und erkennt die Gefahr, dass die Preistreiberei den Senior wieder zurück in die Kommandokanzel treibt und eine Unternehmernachfolge vorerst ad infinitum gescheitert sein könnte. Ein zufälliges Gespräch über Vermögensaufbau im Alter mit seinem Bankier lässt den Senior den aufgerufenen Preis nennen. Der Bankier schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und nimmt die Position als Kreditgeber für den jungen Unternehmernachfolger ein. Der Bankier lässt sich vom Senior Eckdaten des Betriebes aus den letzten fünf Jahren geben und bittet den Senior, eine Umsatz- und Gewinnprognose für die nächsten fünf Jahre abzugeben. Der Senior kommt argumentativ in eine prekäre Situation. Nun muss er sich eingestehen, dass er es in denvergangenen Jahren stetig an Investitionen mangeln ließ, ein gehöriger Investitionsstau entstanden ist und der Erfolg der Vergangenheit aufgrund der Branchenveränderung keineswegs mehr so sicher ist wie ursprünglich. Ferner lässt sich durch diese eher oberflächliche Bewertung des Unternehmens anhand von Kennzahlen ermitteln, dass der Betrieb im Bereich der Personalkosten eher „Altersspeck“ angesetzt hat und hier unnötige Kosten produziert wurden. Die Kurzanalyse lässt jedenfalls die ursprüngliche Ablöseforderung als völlig überzogen dastehen. Der Nachfolger ist jedoch erst einmal für weitere Gespräche nicht mehr zu haben.

Einen geeigneten Nachfolger finden: Viel schwerer als gedacht          

 „Na, so ein Juwel findet doch in Windeseile seinen Nachfolger“, äußert der Seniorunternehmer und glaubt, dass die Unternehmernachfolge mit dem nunmehr um 50% reduzierten Ablösebetrag tatsächlich binnen Vierteljahresfrist vollzogen werden kann. Weit gefehlt. Das Problem: Die Generation der achtziger Jahrgänge, die für eine Ablöse aufgrund ihrer persönlichen und beruflichen Erfahrung und Reife grundsätzlich in Frage käme, gehört bereits zur geburtenschwachen Generation. Meist erstklassig ausgebildet durch ein Hochschulstudium und eine respektable Karriere in meist großen Unternehmen, sind die in Frage kommenden Persönlichkeiten bereits soweit etabliert, dass sie Führungsverantwortung, das Fluidum eines großen Unternehmens, eine verantwortungsvolle Tätigkeit und entsprechend gute Dotierung mit „social benefits“ nur ungerne gegen eine Selbstständigkeit aufgeben wollen.

Diese Führungsgeneration ist zumeist persönlich schon so situiert, dass die Familiengründung, der „Nestbau“ und die Einbindung in ein soziales Umfeld soweit vollzogen ist, dass eine zusätzliche Erschwernis für eine mögliche Verselbstständigung, zumal an einem ferneren Ort, für viele durchaus talentierte Leute gar nicht erst in Frage kommt. Berater können auch ein Lied davon singen, dass nicht alle talentierten, erfolgreich arbeitenden Übernahmekandidaten „Unternehmerblut in ihren Adern fließen haben“. Sie „taugen“ als angestellte Führungskräfte, als Teamplayer, als Wirtschaftsboss, nicht unbedingt aber als Mensch, der auf Statussymbole verzichten kann, der oft von Grund auf ein Unternehmen neu strukturieren muss und zu alledem noch die unternehmerische Verantwortung tragen will.

Eine weitere Beobachtung schränkt das mögliche Bewerberfeld ein. Die regionale Positionierung des Unternehmens. Angenommen, der abgebende Unternehmer hat in der Tat ein wirtschaftliches Unternehmen in einer eher uninteressanten Region unseres Landes abzugeben, sind es häufig die PartnerInnen der Bewerber, die eine „Kö in Düsseldorf“ nur ungerne mit der „Hauptstraße in Unterwaldkirchen“ für ihr neues Zuhause eintauschen wollen. „So toll kann das Ausreitgelände für mein Pferd und mich gar nicht sein, als dass ich beim Deibel auf der Rinne meinem Alter entgegensehen will“, so die Äußerung einer sozial äußerst eingebundenen Rheinländerin, die einen Umzug in niederbayerische Niederungen kategorisch ausschloss. Auf ca. 500.000 attraktive mittelständische Unternehmen in Deutschland, die binnen der nächsten drei bis fünf Jahre zur Unternehmernachfolge anstehen, kommen allen Umfragen der deutschen Kammern nach ohnehin nur ca. 150. Bis 180.000 potenzielle Übernehmer in Frage.

Und wie kann eine Unternehmernachfolge beizeiten erfolgreich vollzogen werden? 

Lektorat:
Katharina Daniels (Journalistin und Kommunikationsberaterin), Partnerin im VBU (Verbund beratender Unternehmer)

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay