„Überall geht ein früheres Ahnen dem späteren Wissen voraus“ schrieb der Forscher und Universalist Alexander von Humboldt. Heute liest sich das so: Die „großen Trends“ (Mega-Trends) sind - so beschreibt es das Zukunftsinstitut (1) - die „Tiefenströmungen des Wandels“, die sich durch eine rückschlagresistente Entfaltung auszeichnen.

Trends als Nährboden für Strategien

Das Wissen über langfristige Trends bildet die Basis für diverse strategische Fragestellungen und Entscheidungen in Unternehmen, wie die Konzentration auf neue Ländermärkte, neue Produktgruppen, neue Konsumentengruppen und neue strategische Kooperationen, die den nachhaltigen Unternehmenserfolg sicherstellen sollen.

Megatrend Globalisierung versus Nationalstaat?

Wirft man den Blick auf die Rankings der jeweiligen Megatrends in den Publikationen von Beratungshäusern, Banken und Unternehmen, so wird der Begriff der Globalisierung immer wieder an prominenter Stelle gelistet. Obgleich inflationär verwendet und in der Semantik durchaus diffus, wird in der Trend- und Zukunftsforschung die Globalisierung als die zunehmende, weltweite Vernetzung ökonomischer und gesellschaftlicher Aktivitäten verstanden, die den Nationalstaat und nationalstaatliches Denken obsolet erscheinen lässt.

ABER HALT! Rückblick: Es ist der 23. Juni 2016.

In einem Referendum entscheiden sich die Bürger Großbritanniens, wenn auch mit einer relativ knappen Mehrheit, für einen Ausstritt ihres Landes aus der EU: mehr Eigenständigkeit, mehr nationalstaatliches Denken, weg vom Multilateralismus und supranationaler Organisation.

Seither erleben wir ein medial aufgeführtes „Trauerspiel“ zwischen der britischen Regierung, dem britischen Parlament und den Institutionen der „EU“ über das „Wie“ des Ausritts. So scheinen auch knapp zwei Monate vor dem „angestrebten“ Austrittsdatum noch eine Handvoll von Szenarien mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit vorstellbar: Vom „Worst Case“ eines „harten Brexits“ bis hin zur, wenn auch vagen Option, eines neuen Referendums.

Wildcard Brexit: Vollkommen unerwartete Entwicklung?

Was war die Brexit Entscheidung?

Ohne diese Frage hier weiter diskutieren zu wollen, scheint sich, auf abstrakter Ebene, bezüglich der Trendbetrachtung für Unternehmen der Kreis zu schließen.

Strategische Herausforderung: Wahrnehmung schulen!

Matthias Horx (2) führt hierzu an:

„Jeder Mega-Trend erzeugt einen inneren Brechungseffekt, einen massiven Gegenimpuls. Die wahre Zukunft entsteht erst in der Synthese von Trend und Gegentrend zu höherer Komplexität und Integration.”

Das heißt für Unternehmen: Es gilt, Routinen für die Wahrnehmung von relevanten Umweltveränderungen zu entwickeln und dabei im Sinne einer »Schule der Wahrnehmung« die eigenen „blinden Flecken“ zu erkennen und die Aufmerksamkeit zu schärfen - auch für schwache Signale innerhalb von Megatrends und an deren Peripherie.

Leitfragen sind hier:

Der Aufbau von Routinen zur systematischen Beobachtung relevanter (gegenwärtiger wie zukünftiger) Umwelten ist ein probates Mittel, um die eigene nachhaltige Wirtschaftlichkeit, Überlebensfähigkeit und Überraschungsfähigkeit angemessen zu steigern. Das Erkennen und der Umgang mit dem Brexit, kann hier als warnendes und lohnendes Beispiel dienen.

1) Quelle Zukunftsinstitut: https://www.zukunftsinstitut.de/dossier/megatrends/
2) Quelle Matthias Horx: https://www.horx.com/vortraege-seminare/macht-der-megatrends/

Zum Autor:
Dirk Müller (MBA, Dipl.-Pol.), Partner im VBU-Kompetenzteam Mittelstand International (Fokus China). Der Autor bewegt sich seit vielen Jahren zwischen den Kulturen und lebt in Deutschland, der Schweiz und Shanghai. Verheiratet mit einer Chinesin, bedeutet täglich gelebte interkulturelle Kompetenz. Im Mittelpunkt seiner Beratungstätigkeit stehen Markt- & Trendanalysen (China-Radar), strategisches Marketing, sowie das Business Development.

Lektorat: Katharina Daniels