Unternehmernachfolge ist im hohen Maße ein emotionaler Prozess. Das gilt sowohl für die diejenigen, die ein Unternehmen übergeben, als auch für die, die es übernehmen. Eine gelungene Betriebsübergabe zwischen den Beteiligten mit einem erfolgreichen Weitergang des Betriebes rundet den Gesamtprozess der Nachfolgeregelung ab. Zu diesem Zweck ist ein gut strukturierter und professioneller Onboardingprozess hilfreich.
Was bedeutet Onboarding genau?
Onboarding ― wörtlich übersetzt »An-Bord-Nehmen« ― ist eine wichtige Aufgabenstellung im Personalmanagement von Unternehmen. Sie stellt eine systematische Integration neuer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen inklusive der Führungskräfte im Unternehmen sicher. Ziel ist, die „Neuen“ fachlich einzuarbeiten und zügig ins Team sowie in die Unternehmenskultur einzugliedern. Darüber hinaus müssen den „Neuen“ die externen Ansprechpartner (z.B. Geschäftspartner, Kunden, Lieferanten) bekannt gemacht werden.
Auf die Zukunft ausgerichtete Onboarding-Programme sind nicht nur Maßnahmenpläne zum klassischen Einarbeiten, sie sind auch vielschichtig und haben neben dem grundlegenden informativen Charakter auch zunehmend eventartige Züge, die die Vernetzung und den Vertrauensaufbau unterstützen. Sie leisten Hilfe zur Selbsthilfe, indem sie Orientierung zum Einstieg bieten.
Onboarding für Unternehmernachfolgende
Zu den „Neuen“ im Unternehmen zählen auch diejenigen, die ein Unternehmen übernehmen. Die Umsetzung eines Onboardingprozesses ist bei den Inhabern bzw. Inhaberinnen eines Unternehmens, die eine aktive Rolle im operativen Geschäft einnehmen von besonderer Bedeutung. Damit der Know-how-Transfer ohne große Verluste geschieht, ist der Einsatz eines Onboardingprozesses nützlich. Die Übergebenden führen verantwortlich den Prozess mit den Übernehmenden. Neben der Einführung in die grundlegenden und finanziellen Dinge des Unternehmens (der klassische Einarbeitungsplan), ist auch eine systematische Integration in die Unternehmenskultur von großer Bedeutung.
Der von Übergebenden erstellte Einarbeitungsplan wird systematisch mit den Übernehmenden abgearbeitet. Es empfiehlt sich am Ende einer jeden Woche eine gemeinsame Feedbackrunde durchzuführen. Dabei werden die gewonnenen Erkenntnisse / Learnings in kommende Übergabeaktivitäten mit aufgenommen.
Das Verstehen der Unternehmenskultur erfolgt durch „den konkreten Blick“ auf die Menschen im Unternehmen. Dieser wird durch intensive Kommunikation nach innen zu Führungskräften, Betriebsräten, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und „Meinungsführern“ realisiert. Sie wird u. a. auch zum Teil mit eventartigen Formaten untermauert (z.B. Betriebsversammlungen, Workshops, Gruppen- und Einzelgespräche).
Durch empathisches Verhalten, zielführendes Fragen und aktives Zuhören der „Neuen“ erfahren dabei die Angesprochenen nicht nur Wertschätzung, sondern offenbaren hier im Gegenzug etwas über die unternehmensinternen Netzwerke. Darüber hinaus geben sie auch Auskunft über die zwischenmenschlichen Verflechtungen. Diese Informationen sind außerordentlich wertvoll zum Verständnis der jeweiligen Unternehmenskultur. In verschiedenen Formaten haben die Übernehmenden auch die Möglichkeit etwas zu sich sowie ihrer unternehmerischen Vision zu sagen. Dazu gehört auf dem Bekannten aufzubauen und mit den Menschen das Unternehmen sukzessive weiterzuentwickeln.
Ein Beispiel aus der Praxis
Erfolgt keine intensive interne Kommunikation, besteht die Gefahr, dass Mitarbeitende sich verunsichert und nicht wertgeschätzt fühlen. Sie sind im ersten Moment kritisch gegenüber den Übernehmenden und haben Angst vor Arbeitsplatzverlust. Im schlechtesten Fall verlassen sie ihren Arbeitgeber. So geschehen in der Praxis: Bei einem 110 Mitarbeiter-Betrieb im süddeutschen Raum, wo sich ein Jahr nach dem Betriebsübergang zwei Führungskräfte (Leistungsträger) in diesem Betrieb in der gleichen Branche und im Umkreis selbstständig gemacht haben. Gründe waren, dass sie sich durch mangelhafte Kommunikation des „neuen“ Inhabers nicht wertgeschätzt fühlten. Sie haben nicht nur die Kundenkontakte mitgenommen, darüber hinaus auch 16 hoch qualifizierte Mitarbeitende. Aktuell treten sie bei einem bestimmten Geschäftsfeld als Wettbewerber gegenüber ihrem ehemaligen Arbeitgeber auf. Eine der Auswirkungen in dem übergebenen Unternehmen: Vom profitablen zu einem nicht profitablen Betrieb innerhalb von 1,5 Jahren. Der neue Inhaber konnte infolge dessen seine langfristigen Verpflichtungen gegenüber den Banken nicht mehr erfüllen. Konsequenterweise wurde der Betrieb restrukturiert, es wurden weitere Arbeitsplätze abgebaut.
Zusammenfassung
Eine systematische Integration von Neuzugängen durch ein professionelles Onboarding ist stets eine ernst zu nehmende Aufgabenstellung im Betrieb. Bei einer Unternehmernachfolge ist sie die zentrale Aufgabenstellung für Unternehmenübergebende und -übernehmende und die Beteiligten müssen einen großen Schwerpunkt auf die interne Kommunikation legen. Dies gilt ganz besonders in den Zeiten, in denen nicht genügend qualifizierte Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sind. Somit muss der Onboardingprozess professionell für jeden Neuzugang, auch für Unternehmerübernehmende, durchgeführt werden. Dabei kommt dem Übergebenden eine wichtige Rolle zur Umsetzung zu und die Übernehmenden müssen empathische Fähigkeiten besitzen. Ist das der Fall, besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Betriebsübergabe gelingt und u.a. die bestehenden Arbeitsplätze in der Zukunft erhalten bleiben. Die Übernehmenden können künftig mit weiterhin treuen Mitarbeitenden rechnen.