Die Lage im deutschen Mittelstand ist in puncto Unternehmernachfolge verheerend. Reihenweise gehen die 50er Jahrgänge in den nächsten Jahren von Bord. Bis heute haben viele Unternehmer keinen Plan, wie das oft von ihnen aufgebaute Unternehmen in die nächste Generation geführt werden kann. In nur gut einem Viertel aller Nachfolgeprozesse übernehmen die eigenen Kinder den Betrieb.
Wie es gelingen kann, mit Vorausschau und Weisheit das Unternehmen übergabereif zu machen
Was sind die wahren Ursachen für die Lustlosigkeit teils hervorragend ausgebildeter Junioren, den elterlichen Betrieb zu übernehmen? Wie kann die Unternehmernachfolge stringent zum Wohle des Betriebes und der Unternehmerfamilie arrangiert werden?
Seit Generationen im Familienbesitz
„Wie hat ihre Familie das nur geschafft, dass Ihr Familienunternehmen seit nunmehr vier Generationen immer erfolgreich von der Nachfolgegeneration übernommen wurde“? Diese Frage interessierte mich als vom Senior beauftragter Berater brennend, nachdem die reibungslose Übergabe von Familienbetrieben beinahe zu den Ausnahmefällen zählt. „Nicht nur Glück gehabt. Vieles haben wir Nachfolger unserem Großvater zu verdanken“ war die knappe Antwort des bodenständigen Unternehmers, der ein respektables Fertighausunternehmen von einem großen Erfolg zum nächsten führt.
Wechselseitiges Lernen als Erfolgsmodell
Was ist die Maxime des Seniors für die erfolgreiche Unternehmernachfolge? „Wir Alten lernen von den Jungen, die Jungen lernen von uns Alten. Punkt“. Und um seine Überlegungen und seine Erkenntnisse für mich als Gesprächspartner und Berater zu verdeutlichen, führt der Senior Folgendes aus:
„Wir Alten sind interessiert, was die Jungen an Innovation, an neuem Wissen von der Hochschule in die Praxis einbringen. Das Thema Digitalisierung würde unseren Betrieb in größere Schwierigkeiten bringen, wenn wir nicht auf den aktuellen Kenntnisstand der Kinder zurückgreifen könnten. Vieles haben wir zwar erfolgreich, aber mehr nach Gutdünken in der Vergangenheit einfach so gemacht. Jede Generation hat rückblickend mit der Vereinbarung zwischen Eltern und Kindern wesentliche Impulse von außen, aus der Wissenschaft, zugelassen. Wir Alten haben uns stets auf die Fahne geschrieben, neugierig zu bleiben. Mit Stolz und auch Demut nehmen wir unsere Kinder mit in den Betrieb und geben ihnen schon sehr früh freie Hand. Die jungen Leute bringen erstaunliche Ideen und Fähigkeiten mit, Abläufe schlanker zu machen, zu optimieren, Planungen wesentlich strukturierter vorzunehmen, Marketing direkt am Kunden auszurichten. Kurzum: die Kindergeneration ist fit. Sie können, wenn sie wollen und auch das Unternehmerblut in den Adern spüren. Hingegen geben wir „alten Leute“ den jungen Menschen unsere Erfahrung mit auf den Weg. Insbesondere Erfahrungen im Umgang mit unserer wesentlichen Ressource Mensch. Wir führen noch genauso wie vor 100 Jahren. Wir üben immer wieder aufs Neue die Nähe zu unseren Mitarbeitern. Das, was mit unseren Kindern, in Sachen Unternehmernachfolge funktioniert, funktioniert auch im beachtlichen Maße bei unseren Mitarbeitern. Gerade auch im Leitungsbereich haben wir zwischenzeitlich bereits die Enkelgeneration, egal ob sie in der Fertigung, der Montage oder in der Verwaltung arbeitet. Verstehen Sie: hierauf sind wir stolz. Gerade im Zuge aufkommenden Facharbeitermangels sehen wir in dieser „Familienpolitik“ eine nachhaltige Sicherung unseres Familienunternehmens. Das Klima muss stimmen. Unsere Führungskräfte kümmern sich auch um persönliche Belange, nennen sie es Krisen einzelner Mitarbeiter bei Krankheit, Unfall oder gar Tod im näheren Umfeld des Mitarbeiters. Das schafft Vertrauen. Diese Politik beschert uns verlässliche, lang währende Zugehörigkeit, die wiederum unsere Qualitätssicherung mit garantieren hilft“.
Planung über die Generationen hinweg
An mich als Berater gerichtet, kommt der Auftrag, aus der Vogelperspektive die anstehende Unternehmernachfolge als neutraler Vertrauensmann beider Generationen zu begleiten. Mögliche Irrläufer, Missverständnisse, Planungs- oder Umsetzungsfehler sind in der Rolle des Beobachters rasch zu erkennen, anzusprechen, ggf. zu moderieren und eliminieren.
Im vorliegenden Falle hat der Unternehmer bereits zu Schulzeiten seiner Kinder, zusammen mit seiner Ehefrau sowie seinen Eltern zu deren Lebzeiten und außenstehenden Beratern die Unternehmernachfolge im Blick gehabt. Welches seiner vier Kinder würde sich wohl am ehesten eignen, die Nachfolge im Betrieb anzutreten? Neigungen und Fähigkeiten der Kinder standen genauso auf dem Prüfstand wie ein mögliches Interesse am väterlichen Betrieb. „Der Sepp war schon recht früh sonntags immer wieder mit mir im Betrieb. Ich ließ ihn einfach werkeln. In der Schreinerei experimentierte er mit Werkstoff und Werkzeug. Hin und wieder kam er zu mir ins Büro und zeigte stolz seine Produkte oder erbat meinen Rat“.
Auch die Tochter interessierte sich recht früh für den Betrieb, wollte aber mehr Wissen über Architektur und Design sammeln. So kam es, dass sie sich der Architektur verschrieb und nunmehr einen gut laufenden Architekturbetrieb aufgebaut hat. Der Jüngste wird Bauingenieur, ist jedoch vom Tunnelbau fasziniert und wird sicherlich da eines Tages seinen Mann stehen. Die Vierte habe beizeiten geheiratet und vergrößere „mit großem Fleiß die Familiendynastie“, sagt der Senior mit einem Augenzwinkern.
Auch der Berater ist in den Generationenvertrag eingebunden
Der Auftrag des von Senior und Junior beauftragten Beraters sei mit notariell beglaubigten Besitzübertrag an die nächste Generation erfolgreich abgeschlossen. „Notieren sie schon mal den 31. Dezember“, sagt zielorientiert der junge Unternehmer und strahlt.
Unbeantwortet bis dato ist die Frage an den Senior, wie er nach Übergabe des Führungszepters sein neues Leben gestalten wolle. Diese Planung wolle er zusammen mit seiner Frau und seinem Berater als nächstes angehen. Klar hingegen ist für ihn, mit Schlüsselübergabe ausschließlich auf besondere Anforderung dem Unternehmen mit Rat und Tat zur Verfügung zu stehen.
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