„Die Reise beginnt – ein Unternehmer auf dem Weg ins Unbekannte“
Herr M., 62 Jahre alt, führt seit drei Jahrzehnten ein florierendes mittelständisches Unternehmen in zweiter Generation. Lange war die Frage nach einem Verkauf nur ein fernes Gedankenspiel, etwas, das irgendwann „später einmal“ zu diskutieren wäre. Doch nun ist das Später eingetreten – konkret, endgültig, unumkehrbar. Der Entschluss, das Lebenswerk und damit auch die Familientradition in neue Hände zu geben, ist gefallen. Ein Käufer ist gefunden, die ersten Gespräche verliefen freundlich, beinahe angenehm. Es schien, als reihten sich die Dinge wie von selbst. Doch mit dem Erreichen der Verhandlungsphase verändert sich das Gesicht des Prozesses – plötzlich verliert das Unterfangen seine Leichtigkeit.
Herr M. spürt, wie das Projekt „Verkauf“ aus dem Modus der Möglichkeit in den Modus der Realität kippt. Eine Phase beginnt, in der jede Aussage Gewicht bekommt, jedes Wort Konsequenzen erzeugt, jede Information Interpretationen zulässt. Er blickt auf seinen Betrieb wie auf ein Schiff, das er über Jahrzehnte in Sturm und Flaute zum sicheren Kurs geführt hat – und soll jetzt zusehen, wie andere an das Steuer treten. In ihm mischt sich Stolz mit Skepsis, Verantwortung mit Zweifel. Wird der gebotene Kaufpreis Bestand haben? Welche weiteren Forderungen wird der Käufer stellen? Und an welcher Stelle darf er flexibel sein, ohne seine eigenen Interessen preiszugeben?
Wie der Protagonist im Film „Stargate“ steht Herr M. vor dem „Tor des Unbekannten“ – und dieses Tor heißt: Verhandlung.
Erste Begegnungen – Zahlen treffen auf Emotionen
Die ersten Runden verlaufen erstaunlich holprig. Auf Käuferseite werden Risiken betont, mögliche Problemfelder ausgeleuchtet, potenzielle Nachlässe begründet – nicht aggressiv, aber methodisch, ruhig, sachlich. Die strategische Tonalität ist nicht konfrontativ, doch ihr Zweck ist klar: den Wert zu relativieren, um Spielraum nach unten zu gewinnen. Herr M. erkennt, dass er nicht in einem neutralen Austausch von Zahlen sitzt, sondern in einem Spiel aus Wahrnehmung, Setzung und Einflussnahme.
Gleichzeitig beginnt etwas anderes zu arbeiten – in ihm selbst. Emotionen, die er zuvor für „unter Kontrolle“ gehalten hatte, melden sich zurück: der Stolz auf das eigene Lebenswerk; die leise Kränkung, wenn Stärken klein und Schwächen groß gesprochen werden; die Sorge, am Ende nicht ausreichend Anerkennung für das Erreichte zu finden. Und eine tiefliegende Unsicherheit: Halten seine Argumente dem sachlichen, kühlen Blick des Marktes wirklich stand?
Es ist dieser innere Moment, in dem die eigentliche Prüfung sichtbar wird: Nicht die Käuferseite ist der erste Gegner, sondern das eigene Nervensystem. Die Fähigkeit, Emotionen wahrzunehmen, ohne ihnen das Steuer zu überlassen, ist die erste Hürde. Wer jetzt impulsiv reagiert, verschenkt Position. Wer sachlich bleibt, obwohl es innerlich arbeitet, schafft sich Luft. Herr M. spürt, dass er für den nächsten Schritt mehr braucht als Fachlichkeit – er braucht Haltung.
Die Prüfungen – und die Rolle der Verbündeten
Kein Held besteht seine Reise allein. Auch Herr M. erkennt nach den ersten Runden, dass Verhandlungen kein Terrain sind, das man „aus dem Bauch heraus“ bestreitet. Er verstärkt seine Flanke: An seiner Seite treten erfahrene M&A-Berater, die den Markt kennen, Vergleichstransaktionen einordnen und typische Spielzüge der Käuferseite antizipieren können. Sie übersetzen Emotion in Strategie und liefern Herrn M. jene Distanz, die er allein kaum halten könnte. Rechts- und Steuerexperten prüfen den Kaufvertrag, identifizieren Formulierungen, die in Jahren teuer werden könnten, und bringen die juristische Klarheit mit, die in kritischen Momenten die eigene Ruhe absichert. Und schließlich sind es auch Mentoren, Unternehmerkollegen, die den Weg schon gegangen sind – ihre Erfahrungen wirken wie psychologische Erdung: „Die Phase fühlt sich für jeden so an – und sie geht vorbei.“
Mit dieser Begleitung gelingt es, die ersten Hürden kontrollierbar zu machen. Wenn der Käufer den Preis in Frage stellt, liefern sauber aufbereitete Zahlen, nachvollziehbare Herleitungen und Branchenbenchmarks ein Gegengewicht zur Interpretation. Wenn über Garantien oder Haftungsfragen verhandelt wird, verhindern definierte rote Linien das unbewusste Abrutschen in Zugeständnisse aus Erschöpfung. Und wenn Verhandlungen unter Spannung stehen, sind es oft kleine Interventionen – eine bewusst eingeforderte Pause, das Verschieben einer Antwort auf „nach Rücksprache“ –, die Eskalation verhindern.
Dabei lernt Herr M. etwas Wesentliches: Verhandlungen folgen nicht dem Prinzip „Wer hat recht?“, sondern dem Prinzip „Wessen Erzählung hält stand?“. Die Käuferseite skizziert ein „Risikonarrativ“ – nicht unfair, sondern erwartbar. Die Verkäuferseite muss das Gegennarrativ auf Fakten, Plausibilität und Konsistenz bauen, nicht auf Empörung. Herr M. merkt, wie entscheidend es ist, dass nicht er selbst jede Linie verteidigt: Je mehr seine Berater die operative Argumentation führen, desto freier bleibt sein innerer Raum – und desto souveräner wirkt er im Außen.
Mit jeder Schleife wächst die Fähigkeit, nicht auf den Moment zu reagieren, sondern das Gesamtbild zu halten. Wo früher die Angst stand, jetzt „verlieren zu können“, tritt allmählich ein neues Gefühl: nicht Kontrolle — aber Kontrolle über das Eigene.
Der Höhepunkt – die entscheidende Verhandlung
Nach mehreren Wochen intensiver Gespräche erreicht die Reise ihren dramaturgischen Wendepunkt. Die Käuferseite legt in einem zentralen Termin ein neues „Risikoargument“ auf den Tisch: Der Kundenstamm sei angeblich zu stark von einzelnen Auftraggebern abhängig, daraus leite sich ein Preisnachlass von fünfzehn Prozent ab. Die Räume werden still in solchen Momenten. Nicht, weil jemand schreit – sondern weil das Gewicht der Aussage in der Luft hängt.
Einen Augenblick lang spürt Herr M., wie vertrauter Boden kurz nachgibt: Ein schneller Gegenschlag wäre emotional naheliegend, aber strategisch fatal. Er atmet – einmal, bewusst, hörbar für ihn selbst, nicht für die anderen – und sagt zunächst nichts. Die Pause wirkt wie ein Umlenkpunkt. Denn in der Pause verschiebt sich sein Zustand: vom Reagieren zum Entscheiden.
Dann legt er vorbereitet vor: detaillierte Nachweise über die Dauerhaftigkeit der Kundenbeziehungen, Vergleichsdaten aus der Branche, belegte Wiederkaufsraten, Prognosen, die nicht Wunschbild, sondern Marktlogik sind. Die Argumentation ist nicht hart, sondern sauber. Und schließlich stellt er jene eine Frage, die das Gegennarrativ bricht:
„Wenn das Unternehmen tatsächlich so risikobehaftet wäre – warum sind Sie dann bereit, gerade dieses Unternehmen zu kaufen und kein anderes?“
Der Satz ist keine Provokation, sondern logische Konsequenz der Käuferlogik. Die Wirkung ist unmittelbar: Das vorher stabile Risiko-Narrativ verliert Klang. Nicht weil es widerlegt wurde — sondern weil es sich innerlich für beide Seiten nicht mehr trägt. Der geforderte Nachlass verschwindet aus der Gesprächsrealität. Der Preis bleibt – nahezu unverändert.
Herr M. verlässt den Raum nicht als Sieger über den Käufer, sondern als jemand, der bewiesen hat, dass Vorbereitung, Klarheit und innere Ruhe stärker wirken als Lautstärke und Druck.
Die Rückkehr – Erkenntnis und Stärke
Wie der Held in Stargate oder auch jeder andere Held einer Geschichte kehrt auch Herr M. von seiner Reise verändert zurück. Er hat nicht nur den Kaufpreis erfolgreich verteidigt, sondern auch erkannt, dass Verhandlungen weit mehr sind als ein Austausch von Zahlen. Sie sind ein psychologisches Spiel, in dem Haltung, Ruhe und Klarheit über die eigenen Ziele genauso wichtig sind wie wirtschaftliche Argumente.
Er nimmt mit: Flexibilität ist sinnvoll, aber rote Linien müssen gewahrt bleiben. Stärke zeigt sich nicht in Lautstärke oder sturem Beharren, sondern in Sachlichkeit, Struktur und Vorbereitung. Und am Ende ist eine erfolgreiche Verhandlung nicht nur ein Sieg über den Käufer, sondern auch ein Beweis, dass das eigene Lebenswerk mit Würde und Respekt in die nächste Phase übergeht.
Fazit:
Verhandlungen sind der entscheidende Prüfstein im Verkaufsprozess. Wer unvorbereitet eintritt, riskiert nicht nur finanzielle Einbußen, sondern auch Glaubwürdigkeit. Doch wer klare Ziele definiert, auf belastbare Fakten setzt und die psychologische Dimension ernst nimmt, kann nicht nur den Kaufpreis verteidigen, sondern den gesamten Prozess souverän steuern.
Mein Tipp: Beginnen Sie nicht erst mit Verhandlungsstrategien, wenn der Kaufvertrag bereits auf dem Tisch liegt. Planen Sie frühzeitig, welche Ziele Sie erreichen wollen – und wo Ihre persönlichen Grenzen liegen. Bereiten Sie Ihre Argumente sorgfältig vor und suchen Sie sich Partner, die Sie fachlich und emotional stärken. Und vor allem: Betrachten Sie die Verhandlungen nicht als Kampf, sondern als Reise. Wer klug begleitet und gut vorbereitet unterwegs ist, verteidigt nicht nur Zahlen, sondern gewinnt Respekt – und schafft die Basis für einen fairen, erfolgreichen Übergang, für sich, die Familie, die Mitarbeiter und Kunden.
Herzlichst, Ihr Wolfgang Bürger
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Autor:
Wolfgang A. Bürger
Rechtlich selbständiger Partner bei KERN, Unternehmensnachfolge. Erfolgreicher.
Verantwortlich für die Standorte Nürnberg und Würzburg
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