Nicht genug, dass die 50iger Jahrgänge der Unternehmer sich schwer tun, ihre Unternehmernachfolge beizeiten zum Wohle ihrer selbst und des Unternehmens zu arrangieren. Der schmerzvolle Prozess des Loslassens von Macht, Erfolg, Entscheidungsfreude und Gestaltungswillen ist oft der Grund, eine rechtzeitige Generationennachfolge zu verzögern. Ausgebremst von dieser unternehmerischen Pflicht wird der Seniorunternehmer zusätzlich von zunehmend leergefegten Märkten bezüglich jungen, talentierten Nachfolgepotenzials. Warum?

Welche Fliehkräfte verzögern eine rechtzeitige Unternehmernachfolge?

Die Umsetzung von Unternehmernachfolgen dauern meist zwischen mindestens einem, im Regelfalle zwischen drei und fünf Jahren. Der Unternehmer hängt an seinem „Baby“, seinem Betrieb. Oft ist er Firmengründer, derjenige, welcher sein Unternehmen zu Glanz und Gloria geführt hat. Seit Jahrzehnten tritt er immer wieder aufs Neue an, innovativ, ausdauernd, ehrgeizig „den Laden auf Vordermann zu halten“, wie Dr. Karl-Peter S. aus dem Rheinland konstatiert. Nach einer schmerzhaften, mitunter langen Periode des Loslassens und der Einsicht, beizeiten die Unternehmernachfolge aktiv zu gestalten, stellt sich dem Senior die zunehmend schwieriger werdende Aufgabe der Suche nach dem "idealen" Junior. „Der Markt ist da, aber kein Nachfolger in Sicht“, jammert Dr. S. Minutiös protokolliert, zählt er die für ihn wesentliche Aspekte für das Ausbleiben eines Nachfolgetalents auf:

  1. Kinder von Unternehmern meiden die Übernahme, weil sie sich nicht derart an das Unternehmen binden wollen, wie der Vater es über Jahrzehnte vorgelebt hat.
  2. Kinder von Unternehmern haben im Familienverbund bereits resigniert, weil „der Alte“ eine notwendige Unternehmernachfolge immer wieder verzögert hat und sie sich nunmehr anders aufgestellt haben.
  3. Kinder von Unternehmern können sich nicht vorstellen, die vom Vater in sie gesetzten Erwartungen je erfüllen zu können. – der Druck ist zu hoch.
  4. Kinder von Unternehmern meiden die Unternehmernachfolge, weil sie aufgrund exzellenter Aus- und Weiterbildung zwischenzeitlich in äußerst attraktiven leitenden Positionen außerhalb des väterlichen Betriebes etabliert sind.

Die Suche auf dem freien Talentmarkt gestaltet sich äußerst schwierig. Hier die häufigsten Gründe, warum Senior und „ausgeguckter“ Junior nicht zusammenfinden, um die Unternehmernachfolge zu vollziehen:

  1. Talentierten Nachfolgekandidaten fehlt häufig das „Unternehmerblut in den Adern“. Sie können ihre leitende Position im Angestelltenverhältnis zufriedenstellend auskleiden, lassen es aber am notwendigen Freigeist für Unternehmer mangeln.
  2. Sie haben möglicherweise eine hervorragende Vita, den unternehmerischen Esprit, aber zu wenig Eigenkapital, um die Unternehmernachfolge zu finanzieren.
  3. Sie scheitern häufig an den Regularien der Banken, die das Projekt finanziell begleiten sollen.
  4. Sie weisen exzellente Fachkenntnis in ihrem Metier auf, lassen aber den notwendigen „Rundumblick“ für die Führung eines mittelständischen Unternehmens vermissen.
  5. Sie gehören bereits zu den deutlich schwächeren Jahrgängen, die bei der anstehenden Schwemme an Unternehmensnachfolgen auf der Nachfrageseite deutlich in der Minderzahl sind.

Welche betriebsinternen Nachfolgekonstellationen bieten sich für eine Unternehmernachfolge an?

Bisweilen kommt es immer wieder vor, dass der Senior seine Experten, seine Talente im eigenen Unternehmen bei der Wahl des Nachfolgers außeracht lässt. Da gibt es den langgedienten, erfolgreichen, ambitionierten Prokuristen, der für die Entwicklung zuständig zeichnet. Der Marketingprofi reüssiert sehr zum Gefallen des Unternehmers, obwohl er erst seit fünf Jahren im Unternehmen ist. Auch der Leiter der Finanzen käme durchaus in die nähere Betrachtung, wenn er in den Augen des „Alten“ mehr Drive hätte. In den Augen des Seniors kommen diese tragenden Säulen des Unternehmens für eine Unternehmernachfolge oft nicht in Frage, „weil sie doch NUR die Angestellten sind, die meine Entscheidungen mittragen“. Welche fatale Sichtweise! Unternehmer sind im Regelfalle Alphatiere. „Mir nach“ ist deren Prinzip zu führen. *Weitere Literatur Es lohnt sich aber doch, ein geschätztes Führungsduo- oder –trio einmal unter dem Aspekt der Nachfolge zu evaluieren. Vielleicht hat der Senior auch nur Scheuklappen auf, seine Führungsmannschaft nicht in die unternehmerische Freiheit entlassen zu wollen. Es ist doch einen Vorstoß wert, mit diesen internen Talenten über die Unternehmernachfolge und die vom „Chef“ erwünschte Zukunft des Unternehmens zu diskutieren.  In erster Linie geht es um die eigentliche Nachfolge zur langfristigen Sicherung von Arbeitsplätzen und dem Erfolg des Betriebes. Punkte, wie zu berechnender Firmenwert, daraus resultierender Verkaufserlös für den Senior, Bedingungen des Seniors zu Beginn der Verhandlungen sollten tunlichst zunächst ausgeklammert werden, selbst wenn sie eines Tages natürlich auf die Agenda gehören. In dieser Phase neigen die leitenden Angestellten und der Chef häufig zum Mauern. Es beginnt beizeiten ein „Spiel“, das nur unter bestimmten Bedingungen beidseitig gewonnen werden kann. Hilfe von außen empfiehlt sich für beide Seiten. Ein neutraler Sparringpartner mit seinem auf Unternehmernachfolge konzentrierten Expertenteam übernimmt eine Schiedsrichterrolle einerseits und anderseits die Rolle des Innovators.  Die betriebsinternen Strukturen und auch die Abhängigkeiten von „oben und unten“ drohen bei Alleingängen zum vorzeitigem, unnötigen Scheitern der Verhandlungen. *Weiterführende Literatur.

Wie lässt sich der geeignete Unternehmernachfolger identifizieren und für den Betrieb begeistern?

Der Sparringpartner fertigt im Laufe der intensiven Gespräche mit dem Senior ein Phantombild des Nachfolgers. Selbstverständlich zählen eine erstklassige Vita, eine beeindruckende Unternehmerpersönlichkeit und überzeugende Diskussionen unter den Verhandlungspartnern zu tragenden Entscheidungskriterien. Ebenso wichtig ist jedoch auch die Überzeugung des Unternehmers, dass der auszuwählende Junior auch im Sinne der weichen Faktoren die Unternehmernachfolge ideal ausführen wird. Vermeintlich zu vernachlässigende Aspekte wie

  1. Besteht eine nachhaltige Wertschätzung, Sympathieverhältnis, zwischen Alt und Jung?
  2. Signalisieren beide Parteien gegenseitiges Vertrauen und den festen Willen, ehrlich miteinander zu verhandeln?
  3. Räumt der Senior dem Junior in jeder Situation der Verhandlung Gespräche auf Augenhöhe ein?
  4. Kann der deutlich jüngere, hoffentlich agile, ambitionierte Bewerber Verständnis für den Unternehmer aufbringen und „politisch klug“ verhandeln?

helfen, gleich zu Beginn der Vorstellung und Verhandlungen, ob die gegenseitige Chemie stimmt. Bis es zu der Gegenüberstellung von Unternehmer und dem potenziellen Nachfolger kommt, bedarf es präziser, intensiver Vorarbeit durch das Expertenteam. Ein professionelles „Casting“ durch Vorab-Direktansprache, durch anonymisierte, in der Sache glasklare Ausschreibungen im Internet und einschlägigen Printmedien vermitteln einen groben Überblick über die grundsätzlichen Chancen, einen Nachfolger zu rekrutieren. Keinesfalls sollte der Unternehmer mit jeder Bewerbung konfrontiert werden. Diese würden neben der täglichen Tätigkeit im und für sein Unternehmen nur Verwirrung und Zweifel schaffen und dem Evaluationsprozess beizeiten den Garaus machen. Dies ist eindeutig die alleinige Aufgabe des Expertenteams, hier die Vorauswahl der drei bis vier besten Kandidaten zu treffen, mit diesen qualifizierte Vorabgespräche führen und den Senior lediglich über den Entwicklungsstand der Auswahl in Kenntnis zu setzen. Jeder Bewerber erwartet ein äußerst klares Bild über den Status Quo des Unternehmens. Er will auch Hintergründe für die laufende Unternehmernachfolge erfahren. Das Auswahlteam sollte nicht nur die Stärken und Schwächen des Kandidaten erforschen, sondern auch den Kandidaten von der Prosperität und den Zukunftsaussichten des Betriebes unterrichten. Nur so kann der ideale Unternehmernachfolger identifiziert und für das Unternehmen begeistert werden.

 

Fünf Kernaussagen lassen sich für die Rekrutierung des Nachfolgers treffen:

  1. Unternehmerkinder sind vom Vater behutsam und lange vor dem eigentlichen Nachfolgeprozess an das Erbe behutsam und liebevoll heranzuführen.
  2. Zunehmend erschwert wird eine Unternehmernachfolge durch im Markt fehlende junge Unternehmertypen
  3. Der Unternehmer möge sich vor Alleingängen im Prozess der Unternehmernachfolge hüten.
  4. Neben der betriebswirtschaftlichen Aufbereitung des Unternehmens für eine Übergabe steht auch die Recherche im Vordergrund, wer vom Führungsteam im Unternehmen ggf. für eine Nachfolge in Betracht kommt.
  5. Die externe Suche nach dem idealen Unternehmernachfolger braucht Zeit und eine auf „Headhunting“ spezialisierte Expertenmannschaft.

Autor: Georg-W. Moeller, Verbund der beratenden Unternehmer, sowie Business Coach IHK München- und Oberbayern, Mentor, Führungskräftetrainer mit Schwerpunkt auf mittelständische Unternehmernachfolge, Implementierung in neue Aufgabengebiete, Konfliktmanagement.

Mehr Informationen und Beiträge zu diesem brisanten Unternehmerthema finden Sie hier

Weiterführende Literatur:

Georg-W. Moeller, Bernd Friedrich: Unternehmernachfolge als Punktlandung. Die sensible und wichtige Rolle des Beraters. In: NWB-BB  (Betriebswirtschaftliche Blätter des NWB) Nr. 3/2018, S. 83.

Foto: Pixabay