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So verkaufen Sie sich gut als Arbeitgeber

Bewerbersituation

Schon Albert Einstein warnte davor, mit den immergleichen Methoden ein neues Ergebnis erzielen zu wollen; das kann nicht gutgehen, Einstein bezeichnet solches Vorgehen sogar als "insanity", also als Geisteskrankheit. Genau das aber tun Unternehmen immer wieder und immer noch bei der Mitarbeitergewinnung.

 

Mit Überraschung punkten: 5 Tipps für mehr Arbeitgeberattraktivität

Obwohl der Arbeitsmarkt in den letzten Jahren zum Bewerbermarkt geworden ist, sind unsere Methoden und Verfahren weitgehend gleich geblieben. Kein Wunder, dass Stellenanzeigen dem Unternehmen viel zu wenig brauchbare Bewerbungen liefern.  Weil Bewerber  anspruchsvoll geworden sind, müssen Arbeitgeber für sich und ihr Angebot werben. Doch Employer Branding, das Werben für die Arbeitgebermarke, ist teuer und aufwändig. In diesem Artikel soll es um einfache und wirkungsvolle Maßnahmen gehen, wie mittelständische Unternehmen mit guten Ideen statt großer Budgets wirkungsvoll an Arbeitgeberattraktivität gewinnen. Auch wenn die hier beschriebenen Maßnahmen sich im 1:1-Kontakt zwischen Unternehmen und Bewerber abspielen, sie tragen mit viralen Botschaften zum nachhaltigen Renommee-Aufbau bei.

Tipp 1: Kontakt halten zum Bewerber – so geht‘s

Wenn Bewerber die Wahl haben, haben Arbeitgeber oft das Nachsehen. Vor allem diejenigen, die sich in Sicherheit wähnen. Schließlich hat der Traumbewerber doch gerade erst unterschrieben! Aber die Absprungrate ist ein Teufel, der immer dann zuschlägt, wenn man es am wenigsten ahnt. Wenn alle Sinne des neuen Mitarbeiters wochen- bis monatelang auf Wechsel gepolt waren, ist die Empfänglichkeit für Angebote selbst dann noch hoch, wenn man gerade einen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben hat. Es lohnt sich also für den Arbeitgeber, der wertvollen Spezies Bewerber vom Bewerbungseingang bis zum ersten Arbeitstag höchste Aufmerksamkeit zu widmen. Sonst lösen sie sich schneller in Luft auf als Eis in der Sonne schmilzt. Weil gute Bewerber heute mehr als ein Angebot auf dem Tisch haben, gewinnt der, der sie bindet und überzeugt. So werden Sie zum Gewinner:

  • Automatische Eingangsbestätigungen für die Bewerbung Ihres möglichen neuen Mitarbeiters sind praktisch, aber endlos nüchtern. Daran ist nichts wirklich Persönliches. Werten Sie die Eingangsbestätigung durch die Nennung eines Ansprechpartners im Unternehmen mit eMail-Adresse und Telefonnummer auf, idealerweise mit dem Link zu dessen Xing-Profil. So bekommt Ihr Unternehmen ein Gesicht, der Grundstein zum persönlichen Kontakt ist gelegt.
  • Wählen Sie diesen Ansprechpartner sorgfältig aus. Diplomatisches Geschick dieses Mitarbeiters, Marketing-Kompetenz und Verbindlichkeit sind wichtig, damit Ihnen nachfragende Bewerber nicht von der Fahne gehen. Nicht auszudenken, wenn gerade die Besten von ungeschickten Auskünften abgeschreckt werden.
  • Hat der Neueingestellte eine längere Kündigungsfrist? Dauert es mehr als einen Monat, bis er zu Ihnen stößt? Diese Zeit ist kritisch. Zwar lassen sich Vertragsstrafen bei Nichtantritt in den Arbeitsvertrag hinein formulieren, dieser Schuss geht aber leicht nach hinten los, denn allzu leicht lassen sich Bewerber durch derartige Passagen von der Vertragsunterschrift abhalten. Viel besser: Drücken Sie durch eine Bildbotschaft über Xing, Twitter oder Facebook Ihre Freude über den baldigen Beginn einer tollen Zusammenarbeit aus. Dieser Überraschungseffekt ist kaum zu toppen, zumal auch Freunde und das soziale Umfeld des Bewerbers die Botschaft mitbekommen, nachhaltiger Neid-Effekt inklusive.
  • Informieren Sie Ihre „Neuen“ (noch vor konkretem Arbeitsbeginn in Ihrem Unternehmen) genauso über das, was im Unternehmen vorgeht, wie Ihre Belegschaft. Ob es eine gelungene Messe, ein erfolgreich errungener Neukunde oder die Geburt von Kollegennachwuchs ist, solche Nachrichten sind bestens geeignet, die Vorfreude bis zum ersten Arbeitstag auf hohem Niveau zu halten.
  • Laden Sie den Neuen zu Firmenveranstaltungen ein, schicken Sie ein Gratisticket zu Tagungen und Messen, bei denen Sie präsent sind und vereinbaren Sie ein Kaffeetrinken mit den neuen Kollegen oder dem Mentor, der ihn in der Einführungszeit begleiten wird.
  • Das Onboarding ist mehr als nur ein vollständig ausgestatteter Arbeitsplatz am ersten Arbeitstag. Eine Vorstellungsrunde durch das Büro, angefangen mit den direkt zusammenarbeitenden Kollegen, mindert Fremdheitsgefühle und sorgt für einen guten Start. Die ersten hundert Arbeitstage per Social Media zu begleiten liefert exzellentes Material für alle Bewerber der Zukunft: Wer für Transparenz sorgt, profitiert durch hohe emotionale Bindung.

Tipp 2: Die überzeugende Stellenanzeige

Stellenanzeigen folgen einem festen Schema. Oben die Unternehmensvorstellung. In ihr wimmelt es oft nur so vor Allgemeinplätzen wie Marktführerschaft, Dynamik, Leidenschaft, Flexibilität, Professionalität, Innovation und Erfolg. Dann lange Spiegelstrich-Listen, in denen es um Aufgaben und Qualifikationen geht. Zu guter Letzt der Abschnitt „Wir bieten“. Auch hier immer wieder Allgemeinplätze:  spannende Herausforderungen, ein tolles Team, kontinuierliche Weiterbildung, ein überdurchschnittliches Gehalt und exzellente Sozialleistungen. Böse Bewerberzungen munkeln, das einzig wirklich Unterscheidbare an Stellenanzeigen sei das Firmenlogo. Da haben Unternehmen die Chance, sich im besten Licht zu zeigen und kleiden sich im one-fits-all-Gewand? So wird das nichts mit der Mitarbeitergewinnung. Praxisbewährte Erfolgstipps können das richten: 

  • Wechselwillige suchen heute vor allem die Möglichkeit, sich einzubringen, wollen mit guter Ausbildung und Erfahrung das Unternehmen voranbringen. Dieses Motiv ist stark, es gewinnt gegenüber der Gehaltsmaximierung zunehmend an Gewicht. Kennzahlen zu Unternehmens­größe, Marktbedeutung und Erfolg deuten da in die falsche Richtung. Schreiben Sie stattdessen, was die ausgeschriebene Position im Unternehmen bewirken soll, wie sie zur Vision des Unternehmens passt. Ein Beispiel, wie das aussehen kann, finden Sie auf meiner Website
  • Lassen Sie all diese Gemeinplätze weg und überlegen Sie, was Ihr Unternehmen tatsächlich von anderen unterscheidet. Dazu reicht manchmal ein Foto, der Link zu einem kleinen Video, das in die Stellenanzeige eingebunden wird. Solche kleinen Hilfsmittel brauchen nicht viel Platz, sind aber starke Motivatoren, wenn es um das Weiterlesen und die Aufmerksamkeit geht. Die üblichen Spiegelpunktlisten für Anforderungen und Aufgabenbeschreibung dürfen Sie dann getrost so lassen wie bisher.
  • Den letzten Abschnitt möchte ich Ihnen unbedingt ans Herz legen: Ihr Angebot an den Bewerber. Damit meine ich nicht die Höhe des Gehaltes – das ist in Deutschland nach wie vor in Stellenanzeigen unüblich. Aber für wenig differenzierende Formulierungen wie „ein tolles, junges Team“, „eine ansprechende Arbeitsumgebung“, "offene Unternehmenskultur" oder die persönliche Weiterentwicklung gibt es überzeugende Alternativen. Es lohnt sich, diese Gemeinplätze durch anschauliche Einblicke hinter die Kulissen Ihres Unternehmens zu ersetzen. Womit wir beim nächsten Thema sind.

Tipp 3: Mit den inneren Werten Ihres Unternehmens punkten

Es ist gar nicht so einfach, Merkmale zu finden, die das eigene Unternehmen abhebt von anderen Arbeitgebern der Region oder Branche, denn der Alltag macht betriebsblind. Dabei sind anschauliche und authentische Details unendlich viel wirkungsvoller als die ewiggleichen Buzzwords. Emotionales und Menschliches wirkt – dabei kommt es nicht auf das große Ganze an, schon Kleinigkeiten prägen sich ein.  Ein paar Erfolgsbeispiele aus unserer Praxis, die Ihre Fantasie befeuern können:

  • Einer unserer Mandanten hatte seinen ursprünglichen Firmensitz in einem Gewerbegebiet, weit und breit keine Möglichkeit für ein leckeres warmes Mittagessen. Nachdem die Kollegen selbstgeschmierte Stullen und Lieferpizza satt hatten, kam jemand auf die Idee, doch mittags in der kleinen Kaffeeküche für alle zu kochen. Das setzte sich schnell durch: Auch heute noch, nach dem Umzug in die Stadtmitte, ist das selbstgemachte Mittagessen fester Bestandteil der Firmenkultur. Gemeinsam im Konferenzraum verzehrt, ist es der kommunikative Mittelpunkt und Basis des Wir-Gefühls, das das Team zusammenschweißt.
  • Oder das neu gegründete Technologieunternehmen, dessen zehnköpfige Kernmannschaft auf 18 Kinder im Schulalter kommt. Dass hier Homeoffice, flexible Arbeitszeiten und eine agile Organisationsstruktur gekonnt miteinander verheiratet sind, lässt sich auch bei größter Anstrengung nicht übersehen.
  • Ein kleines, inhabergeführtes Unternehmen für Elektronikbauteile sitzt in einer dörflichen Umgebung, Der Firmensitz ist ausgerechnet in einem alten, ehrwürdigen Pfarrhaus untergebracht. Viele Kollegen arbeiten hier seit über 20 Jahren. Zwar ist das Unternehmen in der Digitalisierung ganz weit vorn, trotzdem schreckt die ländliche Lage Uni-Absolventen regelmäßig ab. Das ließe sich mit Fotos und gut gewählten Botschaften zwischen den Zeilen ändern: hier arbeiten Generationen effizient und wirkungsvoll zusammen; 50jährige lernen problemlos von halb so alten Kollegen.

Tipp 4: Stellenbeschreibungen der anderen Art

Übliche Stellenbeschreibungen sind etwas für Eingeweihte. Denn wer die Abläufe und Organisationsstrukturen eines Unternehmens nicht kennt, wird sie beim Durchlesen kaum voll­ständig erfassen können. Falls Sie glauben, dass das auf Ihr Unternehmen nicht zutrifft: Machen Sie den Test mit einem Freund, der Ihre Abläufe nicht kennt. Geben Sie ihm die Stellenbeschreibung zu lesen, fragen Sie ihn nach zehn Minuten, was er noch davon weiß. Dann werden Sie verstehen, was ich meine. Dabei sollen Stellenbeschreibungen doch gerade Neulinge einführen!

Weil das vollständige Erfassen der Anforderungen für Bewerber gerade im Einstellungsprozess wichtig ist, habe ich zwei Alternative für Sie:

  • Lassen Sie die Kollegen der ausgeschriebenen Position berichten, wie sie mit dieser zusammenarbeiten. Das kann im Rahmen eines Vorstellungsgespräches sein, aber auch auf einem Video. Der Dreh macht Spaß, lässt sich mit einfachen Mitteln realisieren und drückt gleichzeitig Wertschätzung den Mitarbeitern gegenüber aus.
  • Oder, wenn Ihnen diese Idee zu radikal neu erscheint: Lassen Sie es die Kollegen selbst in Form eines Interviews aufschreiben, das Sie Bewerbern zum Lesen in die Hand drücken. Vielleicht sogar schon mit der Einladung zum Vorstellungsgespräch, so dass sie eine gute Basis für Fragen haben.

Tipp 5: Vorstellungsgespräche ohne Konferenzraum-Atmosphäre

Konferenzräume und Kreißsäle haben eines gemeinsam: Ihre Atmosphäre ist an Nüchternheit kaum zu überbieten, obwohl hier entscheidende Weichen für die Zukunft gestellt werden. Der Hausgeburt das Wort zu reden, ist gerade nicht mein Thema. Stattdessen möchte ich Ihnen ein paar Ideen vorstellen, wie das Vorstellungsgespräch zu einem stressfrei-authentischen Erlebnis werden kann.

  • In Ihrem Unternehmen ist bestimmt viel los. Also lassen Sie Ihre Bewerber daran teilhaben. Viel spannender als sterile Konferenzräume sind Kaffeeküchen, denn hier findet der wichtige informelle Austausch statt. Zu einem entspannten Gespräch über einer Tasse Kaffee der weitaus bessere Ort, einander kennenzulernen. Ganz echt, authentisch und stressfrei wird der Bewerber Ihnen diese willkommene Alternative danken.
  • Wo wir schon in der Kaffeeküche sind: bitten Sie nach dem einleitenden Kennenlernen ein paar Kollegen der ausgeschriebenen Position dazu. Aus einem lockeren Plausch lässt sich leicht ein berufliches Gespräch entwickeln. Für den Bewerber die ideale Gelegenheit, die Fragen zu stellen, die das Lesen der ausführlichen Stellenbeschreibung geweckt haben. Ihre aktuellen Mitarbeiter können sich währenddessen ein Bild machen, ob Fachseite und Chemie stimmen.
  • Die Tücke steckt im Detail: Allzu viel Harmonie gefährdet im Team benötigtes Innovations­potenzial. Wer innovieren will, profitiert von heterogenen Strukturen. Das miteinander-Können mag zwar wichtige Akzente setzen, für die Besetzung innovationsrelevanter Positionen gelten aber vielfältigere Kriterien. Deswegen muss die Kaffeeküchen-Episode irgendwann beendet werden, dann geht es raus in die wertschöpfenden Strukturen des Unternehmens. Zeigen Sie alles, erklären Sie Ihrem Bewerber, wie Sie Ihr Geld verdienen.
  • Zu guter Letzt und zu einer abschließenden Gesprächsrunde bietet sich ein ruhiger Raum an. Jetzt vielleicht doch der Konferenzraum oder Ihr Büro? Lassen Sie den Bewerber fragen, was er wahrgenommen hat, decken Sie selbst Widersprüche oder vermeintliche Ineffizienzen auf und sprechen Sie diese an. Gute Analysekompetenz, differenzierter Sachverstand und Kommunikationsfähigkeit entdecken Sie so sicher.
  • Haben Sie sich am folgenden Tag schon einmal bei einem Bewerber für seine Zeit bedankt? Die eMail ist das beste Medium dazu, denn sie hat bleibenden Charakter. Spätestens dieser Schritt macht das Erlebnis für den Bewerber unvergesslich. Selbst dann, wenn eine Absage mit dem Dankeschön verbunden ist. Übrigens ist dieses Dankeschreiben eine gute Gelegenheit, den oben genannten Ansprechpartner ins Bild zu setzen.

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