Was ist los im Staate Deutschland? Mittelständische Filetstücke in allen Branchen sind bedroht, weil die abgebende Generation der 50er Jahrgänge erfolglos nach einem potenziellen Unternehmernachfolger sucht. Deutsche und internationale Akademien produzieren hervorragende Talente. Diese Talente stellen schon bald nach dem Studienabschluss ihre Fähigkeiten in renommierten Großbetrieben unter Beweis. Sie machen Karriere. Das Ziel könnte der Traum von einer erfolgversprechenden Selbstständigkeit sein. Mitnichten. Warum nur?

Was ist so abweisend an dem Engagement einer Unternehmernachfolge?

Da liegt das Glück quasi vor den Füßen talentierter junger Akademiker. In allen Medien wird über das große Dilemma berichtet, dass die Generation 60plus sich schwer tut, beizeiten die Unternehmernachfolge ihres mittelständischen Unternehmens zu planen und umzusetzen. Berichtet wird von den sturen Alten, die nicht abgeben, nicht loslassen können. Selbstverständlich gibt es auch genügend Unternehmen, die in den letzten Jahren nur noch so dahin gedümpelt sind und nun ihre Attraktivität für Unternehmernachfolger eingebüßt haben. Unter den Hundertausenden Betrieben, die in den nächsten vier, fünf Jahren zur Generationennachfolge anstehen, gibt es aber unendlich viele Filetstücke. Heerscharen von Beratern suchen auf dem Markt für die Übergebergeneration nach einem geeigneten Nachfolger. Oft vergebens! Junge Mitdreißiger, die ihre ersten Sporen mit Erfolg in der deutschen Wirtschaft verdient haben, eigenen sich oft prädestiniert als Unternehmernachfolger. Doch sie zieren sich, oder winken gar von vorne herein ab, sich selbstständig machen zu wollen. Ein großes Rätsel, befragt man doch die amtierende Unternehmerwelt nach der generellen Zufriedenheit ihres persönlichen und beruflichen Schicksals in puncto Selbstständigkeit. Beinahe alle befragten Unternehmer verschiedenster Branchen und Unternehmensgrößen konstatieren ihre Leidenschaft als Unternehmer:

• Entscheidungsfreiheit • Gestaltungsfreiheit • Innovationsfreude • Unabhängigkeit • Macht und Einflussnahme • Ansehen in Betrieb und Gesellschaft • Langfristiger Erfolg als Dynamo der Persönlichkeit • Führungsautorität

Exakt diese von den Unternehmertypen herausgearbeiteten Vorteile ihrer Selbstständigkeit vermissen junge Führungskräfte in ihren angestellten Positionen. Selbst wenn sie Führungsaufgaben innehaben, fühlen sie sich abhängig, eingeschränkt in ihrer Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit und bedauern, dass ihre Innovationsfreude nur bedingt ausgelebt werden kann. Ihre ihnen übertragene Führungsautorität wird häufig „von oben“ wider alle Absprachen unterwandert oder eliminiert. Macht und Einflussnahme auf wesentliche Zukunftsperspektiven ihres Handlungsspielraumes sehen die jungen Führungskräfte mit wachsender Größe der Unternehmen als nur bedingt gegeben. Bei der Betrachtung dieser gegenläufigen Erfahrungen wundert es, dass nicht viele talentierte Führungskräfte in der Mitte ihres Lebens, ausgestattet mit bester Ausbildung und umfangreich gesammelter Expertise ihr Heil als Unternehmer suchen. Auch die Option, ihr eigenes Unternehmen zu gründen, ihre eigenen Ideen von Null an realisieren zu wollen, wird äußerst selten genutzt. Eine echte Bedrohung für die deutsche Volkswirtschaft, derart gute Ressourcen brach liegen zu lassen.

Wer sind diese jungen Talente und was hält sie von der Unternehmernachfolge tatsächlich zurück?

Beklagt wird die Chancenungleichheit in unserem Lande. Nur Akademikerkinder hätten eine wirkliche Chance auf Bildung, dh. Abitur und Studium. Die Statistiken betrachtend stimmt diese Erkenntnis größtenteils. Aber genau dieses Phänomen gehört genauer untersucht, wenn es darum geht, dass talentierte „Upstarts“ nach erfolgreichem Studium und zehn Jahren Erfolg im gewählten Job als Führungskraft eben nicht die große Chance in der Selbstständigkeit durch eine Unternehmernachfolge oder der Gründung eines eigenen Unternehmens sehen, sondern weiter ihre Karriere als leitende Angestellte fortsetzen. Verbal-Orden wie CEO, CFO, COO etc. mit entsprechend leuchtender Ausstattung wie Firmenfahrzeug und anderen Privilegien und der Sicherheit der garantierten Gehaltszahlung zum Monatsende wirken wie Kontaktkleber auf dem Bürostuhl. Es handelt sich auch oft um Unternehmerkinder, die während ihrer Kindheit und Jugend den Unternehmervater-/-mutter oft entbehren mussten, weil die Eltern durch das Engagement im Betrieb so manche Nähe zum Kind vermissen ließen. Arbeiten bis spät in den Abend oder gar am Wochenende gehörten einfach zum gefühlten Nachteil der Selbstständigkeit. Mittelständische Unternehmer nutzen auch oft den Familienverbund, ganz normalen Alltagsfrust, so manche Enttäuschung am Frühstückstisch bei der Familie unkontrolliert abzuladen. Kinder sind sensible Wesen, saugen die Sorgen der Eltern auf und sagen sich beizeiten: „so was kommt mir später garantiert nicht in die Tüte“. Dieses Szenario ist auch ein Haupthindernis für die interfamiliäre Unternehmernachfolge. Unternehmernachfolger lassen sich auch deshalb häufig nicht finden, weil angesprochene Kandidaten exzellente, höchst ambitionierte wie talentierte Führungskräfte und Experten ihres Metiers, nicht aber reinrassige Unternehmertypen sind. Es klingt grotesk. Viele Führungskräfte wollen oder müssen Zeit ihres beruflichen Lebens geführt werden. Ihnen fehlt im wahrsten Sinne des Wortes Selbstständigkeit.

Wie kann der Unternehmer dem Unternehmernachfolger die Nachfolge schmackhaft machen?

Es gibt sie ja, die geeigneten Unternehmernachfolger, wenn gleich auch nicht genug. Nach erfolgreichem Check der persönlichen und fachlichen Eigenschaften ergibt sich häufig folgendes Bild:

• Der Junior eignet sich und findet letztendlich die Zustimmung des Alten • Das Unternehmen ist für den Junior attraktiv und interessant.

• Der Senior akzeptiert, dass der Junior seine ganz eigenen Vorstellungen einbringt. (siehe auch diesen Artikel).

• Der Knackpunkt ist der Übergabepreis: zu teuer oder es mangelt am Eigenkapital des Juniors. Wagniskapital ist nichts für zaghafte, vorsichtige Deutsche. Anders als in anderen Ländern dieser Welt ist die Beschaffung von Kapital für junge Unternehmer noch ein größerer Drahtseilakt. Banken eignen sich eher als Bremser denn als Förderer innovativer Unternehmerideen. Sie verlangen Sicherheiten, die ein anfragender Kreditnehmer in dem Umfange häufig gar nicht haben kann. Größere Rücklagen oft in Millionenhöhe hat im Regelfalle der Unternehmernachfolger während der Zeiten als gut verdienende Führungskraft nicht ansammeln können, standen doch Familiengründung, Immobilienkauf und „Dolce Vita“ dem Spargedanken im Wege. Auch die deutsche Mentalität hält so manchen potenziellen Nachfolger von dem Investment in eine Firma ab, gilt doch eine Verschuldung und der Blick auf ein mögliches Scheitern als gesellschaftlich niederschmetternd im Raum. Der Senior kann mit Weitblick auf die erfolgreiche Zukunft seines Unternehmens helfend zur Seite sein. Vorausgesetzt, der Senior hat wirklich seinen Nachfolgekandidaten für sich auserkoren, sprich: der Deal steht, können verbriefte Finanzierungsmodelle zwischen Jung und Alt für die gedeihliche Zukunft von Unternehmen und Unternehmern (beiden) entwickelt werden. Der Seniorunternehmer mutiert zum Risikokapitalinvestor in seinen ehemaligen Betrieb. Beispielsweise übernimmt er Teilbürgschaften für notwendiges Fremdkapital. Oder die Parteien vereinbaren, dass für aufzubringendes Fremdkapital durch den Junior in den ersten fünf Jahren anteilige Unternehmensgewinne zum Wohle beider gegen Nachweis an die Unternehmerfamilie zu zahlen sind. Ferner lassen sich diese Finanzierungsgedanken sicherlich über Investoren auf dem freien Markt ebenfalls realisieren. Damit beide Parteien auf der sicheren Seite sind, kann ein Unternehmerberater, ein Treuhänder die vereinbarten Transaktionen überwachen.

Welche erfolgversprechenden Erkenntnisse für eine zukünftige Unternehmernachfolge sind gewachsen?

• Bereits Universitätsprofessoren müssen ihrer Studentenschaft neben dem akademischen Wissen die großartigen Gestaltungsspielräume für eine berufliche wie persönliche Zukunft vermitteln.

• Universitätsprofessoren sollten jungen Akademikern die volkswirtschaftliche Bedeutung des Mittelstandes vergegenwärtigen und Mut zum Schritt in die Selbstständigkeit machen.

• Für die Unternehmernachfolge entscheidend ist, dass Unternehmer auf der Höhe seiner Unternehmerkarriere bereits mit Mitte 50 nach seinem Nachfolger aktiv Ausschau hält.

• Deutschlands vermögende Oberschicht möge sich Patenschaften von talentierten jungen Unternehmernachfolgern zur Förderung der Unternehmernachfolge suchen.

• Wankende Bankensysteme müssen ihre Politik des Bremsens überdenken und aktiver im Bereich der „Jugendförderung“, sprich der Finanzierung von Wagniskapital werden.


 

Autor: Georg-W. Moeller, Verbund der beratenden Unternehmer, sowie Business Coach IHK München- und Oberbayern, Mentor, Führungskräftetrainer mit Schwerpunkt auf mittelständische Unternehmernachfolge, Implementierung in neue Aufgabengebiete, Konfliktmanagement.

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Weiterführende Literatur:

Georg-W. Moeller, Bernd Friedrich: Unternehmernachfolge als Punktlandung. Die sensible und wichtige Rolle des Beraters. In: NWB-BB  (Betriebswirtschaftliche Blätter des NWB) Nr. 3/2018, S. 83.

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