Deutschlands Wirtschaft brummt. Die Arbeitslosigkeit strebt ihrem historischen Tiefstand entgegen. Der all übergreifende Wohlstand im Volk nimmt zu. Führungskräfte sitzen so sicher im Sattel wie nie zuvor. Headhunter haben schwere Zeiten. Keiner verlässt seinen gut bezahlten Arbeitsplatz, da keine Not besteht, beruflich neue Ziele zu fokussieren. Alles gut? Wie aber steht es um die Führungskompetenz deutscher Führungskräfte? Derer, welche die Geschicke in Industrie, Verwaltung und Dienstleistung lenken? Wie fit sind Führungskräfte, Menschen voranzugehen, Menschen zu führen, zu motivieren und ihnen einen Weg zur Freude an der Arbeit zu ebnen?

Was versteht der „Ottonormalverbraucher“ unter Führungskompetenz?

Die Führungskraft ist der Boss, der Chef, der Träger der Verantwortung. Auf Genderdetails wird hier mit Verlaub verzichtet. Die Führungskraft schafft Arbeit an und kontrolliert, ob der Mitarbeiter auch alles richtig gemacht hat. Macht der Mitarbeiter seine ihm übertragene Aufgabe korrekt, ist dies für die Führungskraft in Ordnung. Stellt die Führungskraft einen Fehler fest, „gibt´s was auf den Helm“. Im Regelfall zeichnet sich Führungskompetenz dadurch aus, dass „da oben“ einer sitzt, der weiß, wo es lang geht, sein „Business“ versteht und mehr oder minder Mitarbeiter freundlich zu Höchstleistungen anhält. Beklagenswert ist die weitverbreitete Ansicht von Untergebenen, dass Vorschläge, Kritik, Ideen, Erkenntnisse zur Optimierung von Arbeitsabläufen von „unten“ nur selten in der Führungsetage gehört werden. „Net g´schimpft, is au g´lobt“. So versteht der Schwabe die Kunst des Lobens einer Führungskraft. Oft fehlt somit der Kompass für Mitarbeiter, ob gut, mäßig oder gar schlecht gearbeitet wird.
 

Wie wird ein leitender Funktionsträger Führungskraft und wie entwickelt er Führungskompetenz?

In einer oberen Funktionsebene wird eine Position neu geschaffen oder ist neu zu besetzen. Der Personalverantwortliche schaut sich in der darunter liegenden Ebene nach einem talentierten, ambitionierten Mitarbeiter um, von dem er glaubt, dass dieser die vakante Stelle aufgrund seiner „technischen“ Expertise gut ausfüllen kann. Wenn intern kein geeigneter Kandidat zu rekrutieren ist, wird die vakante Stelle extern ausgeschrieben. Dieser Hoffnungsträger des Personalverantwortlichen wird mir nichts dir nichts in die Leitungsposition gehievt mit der Zuversicht, dass er oder sie den Job schon irgendwie gut machen werde. In vielen Fällen wird hierbei die vorhandene oder erwartete Führungskompetenz dieses Mitarbeiters völlig unterschätzt. In dieser Phase soll also ein Talent ungeahnte Fähigkeiten mitbringen, mit Sachverstand aber auch Führungskompetenz die neue Stelle ausfüllen. Wenn ein Unternehmen tatsächlich Führungsverantwortung vorlebt, müsste in dieser Situation dem „Neuling“ in seiner Position zumindest ein Führungskräftecoaching vermittelt werden. Eine solche flankierende Maßnahme zur Einarbeitung in die neue Aufgabe ist das Mindestmaß, das die oberste Unternehmensführung gewährleisten muss, um sicherzugehen, dass das implementierte Talent als „technischer Experte“ genauso erfolgreich operieren wird wie auch in der bislang unbekannten Situation als Menschenführer. Wenn diese konsequente Einarbeitung der neuen Führungskraft unterbleibt, unterlässt die oberste Firmenleitung einen wesentlichen Schritt für den Erfolg von Führungskraft und Unternehmen.

Welcher Trugschluss hat fatale Folgen auf die Führungskompetenz der neuen Leitung?

In nennenswertem Ausmaß lässt sich feststellen, dass Führungskompetenz bis in die höchsten Ebenen allzu häufig massive Defizite ausweist. Diese Defizite werden dann quasi vom Teamleiter bis hinauf in die Chefetage nicht nur mitgetragen, sondern gewinnen mit steigender Verantwortung im Job an negativer Dynamik. Die jeweilige Führungskraft erledigt seine Führungsaufgabe nicht selten mit großer Angst vor Versagen. Die Führung ihm anvertrauter Mitarbeiter ist leider nicht so verstanden, dass seine Untergebenen vom Chef Vorbildfunktion erwarten können. Einerseits wollen sie natürlich die klare Ansage, was von ihnen erwartet wird. Diese Ansage wird höchst selten von der Führungskraft auf die Akzeptanz, das Verstehen des Mitarbeiters hinterfragt sondern als, einmal ausgesprochen, hingenommen. Fragen, Zweifel oder gar Rückfragen sind der Führungskraft meist lästig und werden mehr oder minder harsch „abgebügelt“. Soweit die technische Ansage, was zu tun ist. Dann macht der Mitarbeiter, was er will oder glaubt, aus der Ansage des Chefs herausgelesen zu haben. Das Ergebnis ist offen. Im Glücksfalle können Mitarbeiter Gedanken des Chefs lesen und wissen, was zu tun ist.

Tipps für Führungskräfte:
1.) Akzeptiere Angst vor der eigenen Courage
2.) Erinnere dich deiner eigenen Vorbilder und sei es ebenso
3.) Motivere dich täglich aufs Neue, bevor du mit der Führung beginnst.
4.) Generiere einen Raum der Fehlerfreundlichkeit
5.) Lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig loben
6.) Schaffe Raum für ehrliches, konstruktives Feedback, was dich betrifft.
 

Besteht dieses Einverständnis jedoch nicht, schleichen sich kleinere, größere oder zuweilen auch fatale Fehler ein. Der Chef entdeckt den Fehler und tadelt den Mitarbeiter. Der Tadel findet insbesondere durch die Angst des Chefs besondere Schärfe, als der Chef den entstandenen Fehler als seinen erkennt und wiederum Sorge hat, von der nächst höheren Instanz gerügt zu werden, oder aber auch finanziellen Schaden befürchten zu müssen. Eine gute Führungskompetenz zeichnet sich an dieser Stelle aus, wenn bei einem aufgetretenen Fehler die Führungskraft sich zunächst selbst fragt, was möglicherweise an Kommunikationshandicap aufgetreten sein könnte, das zum Fehler geführt haben mag. Sollte tatsächlich ein Fehler bei der Umsetzung der Ansage des Chefs aufgetreten sein, leuchtet Führungskompetenz dann positiv auf, wenn die Führungskraft direkten Kontakt zu den ausführenden Mitarbeitern aufnimmt und gemeinsam mit großem Spielraum für Fehlerfreundlichkeit dem Fehler auf die Spur geht. Die meisten Mitarbeiter haben so viel Ehrgefühl und Stolz, dass ihnen das Unterlaufen von Fehlern selbst Unbehagen bereitet und sie die ersten sind, die die entstandenen Fehler selbst entdecken. Bei der gepriesenen Fehlerfreundlichkeit wird der Mitarbeiter selbst ermutigt, den Fehler rasch zu beheben, davon zu berichten und ggf. der Führungskraft eine Folgerung zur künftigen Vermeidung einer solchen Fehlerquelle zu unterbreiten.

Führungskompetenz nimmt dann gedeihliche Entwicklung, wenn der Chef das Entdecken des Fehlers und die daraus abgeleitete Konsequenz als besonders hervorhebt und lobt. Überhaupt ist das Lob zum richtigen Zeitpunkt und an der richtigen Stelle deutlich motivierender und fördert noch mehr Engagement des Mitarbeiters als wenn „nix g´sagt ist auch g´lobt“ die Maxime der Führungskraft im Umgang mit seinen Mitarbeitern ist. Da auch die Führungskraft bei aller Anspannung im Job durchaus ein Lob ihrer Mitarbeiter gut vertragen kann, gilt auch das Prinzip „von unten nach oben“. Führen funktioniert nicht nur von oben nach unten, sondern auch von unten nach oben. Damit dieses aber gelingt, ist die ausgewiesene Führungskompetenz der Führungskraft vonnöten, eine Umgebung, eine Atmosphäre zu schaffen, in der Arbeiten Freude und Sicherheit bietet. Wenn uneingeschränktes Vertrauen vorherrscht, erst dann kann ein Unternehmen davon ausgehen, dass in allen Bereichen Bereitschaft zur Höchstleistung besteht.

Wodurch kann also Führungskompetenz neue Dynamik für dauerhaften Erfolg generieren?

Führungskompetenz, dh. das virtuose Können, Menschen im Ganzen zu sehen, sie nach ihren Talenten, Fähigkeiten, Leidenschaften aber auch ihren Mängeln und Fehlern mit eigener Moral, Anstand, Menschlichkeit, Sinn und Vertrauen im Arbeitsprozess zu begleiten, ist die hohe Kunst einer wahren Führungskraft. Wenn ein Chef sich wirklich für seine Mitarbeiter ernsthaft interessiert, sogar auch persönliche außerbetriebliche Belastungsfaktoren eines Mitarbeiters rechtzeitig erkennt und würdigt, kann er schon bald auf dem Siegertreppchen für Top Führungskräfte stehen.


Autor: Georg-W. Moeller, Unternehmerberater im VBU, Verbund der beratenden Unternehmer, sowie Business Coach IHK München- und Oberbayern, Mentor, Führungskräftetrainer mit Schwerpunkt auf mittelständische Unternehmernachfolge, Implementierung in neue Aufgabengebiete, Konfliktmanagement.

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Weiterführende Literatur:

Georg-W. Moeller, Bernd Friedrich: Unternehmernachfolge als Punktlandung. Die sensible und wichtige Rolle des Beraters. In: NWB-BB  (Betriebswirtschaftliche Blätter des NWB) Nr. 3/2018, S. 83.

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