Am 14.07.2021 ging für viele Menschen in NRW und Rheinland-Pfalz „die Welt“  unter. Das Tief „Bernd“ brachte Niederschlagsmengen von bis zu 200 ltr. / qm. Selbst kleine Bäche sind massiv über die Ufer getreten; Keller wurden überflutet, Häuser massiv beschädigt und sogar weggerissen. Zudem wurden Straßen und Brücken zerstört. Die Infrastruktur vieler Orte in Rheinland Pfalz ist nicht mehr existent. Und: Viele Menschen verloren ihre Existenzgrundlage. Der Gesamtverband für das Deutsche Versicherungswesen (GDV) geht von einem Schaden in Höhe von rd. € 4-5 Mrd. aus. (Stand 21.07.2021)

 

Versicherung unter dem Blickpunkt der Priorisierung

Macht  man sich über Versicherungsschutz generell Gedanken, so kommt man unweigerlich auf eine priorisierende Betrachtung (abgesehen von der Pflichtversicherung, etwa der KFZ Haftpflicht).

Verträge werden in vielen Lehrbüchern folgendermaßen aufgegliedert:

Auf die Verträge in Prioritätsstufe 2 und 3 geht der Autor im Weiteren nicht näher ein.

Verträge erster Priorität, die einen „zwingenden Charakter“ haben, sind all jene, die beim Gefahreneintritt die Existenz des Einzelnen gefährden können.

Klassisch zwingende Versicherungsverträge sind, bzw. werden als solche aufgeführt: 

Elementarschäden – Versicherungspflicht?

„…sogenannte „Jahrhundertfluten“. Als solche wurden das Elbehochwasser 2002 sowie das Hochwasser in Mitteleuropa 2013 bezeichnet; inzwischen gab es einige weitere Hochwasser, die diese Bezeichnung relativieren. Bei derartigen, besonders starken, Hochwassern wird von „Jahrtausendhochwassern“ gesprochen (z.B. Oderhochwasser 1997)“ (Wikipedia 21.07.2021).

 Wir sprechen also über kein neues Phänomen.

Die Möglichkeit, eine Elementarschadenversicherung abzuschließen, gibt es seit vielen Jahren, immer vor dem Hintergrund existentielle Schäden abzufedern.

Dennoch:

Zurzeit besteht, laut Gesamtverband für das Deutsche Versicherungswesen (GDV) für rund 40 % - 45 eine Elementarschadenversicherung.

Wie steht es mit der Versicherungspflicht?

Auch wenn juristisch sicher schwierig umsetzbar…:

Gemessen am Risiko von Überschwemmungen, Erdbeben (…) stellen die Elementarschadenereignise jeweils eine katastrophen- bzw.  existenzgefährdende Gefahr dar, deren verpflichtende Absicherung überlegt werden sollte.

Was sind Elementarschäden?

Im Sinne der Versicherungswirtschaft sind dies Schäden, die durch das Wirken der Natur verursacht werden. Als Elementarschäden gelten beispielsweise Schäden durch Sturm, Hagel, Überschwemmung, Rückstau Erdbeben, Lawinen, Schneedruck und Vulkanausbrüche (Quellen: Div. AVB). Aufgrund der aktuellen Situation in NRW und Rheinland Pfalz schauen wir uns die Bausteine Überschwemmung, und Rückstau genauer an.

Überschwemmung

Begriff: In der Versicherungswirtschaft gibt es verschiedene Definitionen von Überschwemmung. In der Regel wird von Überschwemmung gesprochen, wenn ein Hochwasser zur Ausuferung von oberirdischen Gewässern führt oder erhebliche Niederschlagsmengen dazu führen, dass das Versicherungsgrundstück größtenteils mit Wasser bedeckt ist“ (Gabler Versicherungslexikon)

Es muss sich also um das Ausufern von oberirdischen Gewässern handeln, verursacht durch erhebliche Niederschlagsmengen, welche das Versicherungsgrundstück größtenteils mit Wasser bedecken. Gelangt dabei Grundwasser an die Oberfläche und dann ins Haus, besteht auch dafür Versicherungsschutz. 

Nicht versichert sind Schäden durch eine Sturmflut und Schäden durch Grundwasser, wenn es nicht an die Oberfläche gelangt. Dringt Grundwasser also von unten in das Mauerwerk des Kellers ein, weil es erheblich gestiegen ist, handelt es sich nicht um einen versicherten Schaden.  Ausnahmen sind hier: Individualvereinbarungen mit den einzelnen Risikoträgern. 

In der Praxis besteht hier häufig das Problem der Beweisführung, in welcher Weise ein Schaden durch Grundwasser verursacht wurde. Gelangt dabei Grundwasser an die Oberfläche und dann ins Haus, besteht in der Regel auch dafür Versicherungsschutz“ (Verbraucherzentrale „Geld und Versicherung“, 20.07.2021) 

 Rückstau 

 Nochmal zur Klarstellung

Schäden durch Grundwasser, das in einem Gebäude hochsteigt, ohne dass es zu einer Überflutung des Grundstücks gekommen ist, sind nicht versichert. Ausnahmen bestehen in  Individualvereinbarungen mit den einzelnen Risikoträgern

Was gilt als versichert?

Gebäude 

Grundsätzlich: Das Gebäude und alles das, was fest mit dem Gebäude verbunden ist,und deren Wegnahme das Gebäude in der Substanz beschädigt

Hausrat

Im Wesentlichen: Sachen, die der Einrichtung, dem Ge- oder und dem Verbrauch dienen. Die Elementarschadendeckung kann für beide separat ab – bzw. eingeschlossen werden. Die Versicherbarkeit und die Prämien hierfür richten sich nach der sog. ZÜRs Tabelle.  Näheres hierzu: „Geo-Infomrationssystem“ (Quelle: GDV 21.07.2021)

„ZÜRS Geo” - Zonierungssystem für Überschwemmungsrisiko und Einschätzung von Umweltrisiken

Anhaltende Regenfälle sorgen immer wieder dafür, dass Flüsse und Bäche über die Ufer treten. Die Folge sind mehr oder minder schwere Überschwemmungen. Hausbesitzer können sich mit einer Wohngebäude- und Hausratversicherung, mit dem Zusatzbaustein „erweiterte Naturgefahren“ bzw. „Elementarschäden“, gegen solche Risiken versichern.

Doch nicht alle Häuser in Deutschland sind in gleicher Weise dem Überschwemmungsrisiko ausgesetzt. Um das Risiko für die jeweilige Region einschätzen zu können, haben die deutschen Versicherer ein Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen „ZÜRS Geo“ entwickelt. Mit dem System können darüber hinaus auch Umweltrisiken eingeschätzt werden.

Überschwemmungsrisiko richtig kalkulieren

„ZÜRS Geo“ hilft den Versicherern bei der Beantwortung der Frage, welches Gebäude in welchem Ausmaß hochwassergefährdet ist. Diese Information hilft den Risikoträgern bei der Kalkulation des Versicherungsbeitrags der Elementarschadenversicherung. In das System wurden insgesamt über 22 Millionen Adressen eingespeist. Je nachdem wie hoch das Überschwemmungsrisiko ist, wird jede Adresse einer der vier Gefährdungsklassen zugeordnet:

 rothhaeuser gdv 1a

In der Gefährdungsklasse 2 sind auch Objekte enthalten, die durch einen Deich geschützt sind. Voraussetzung: Der Deich ist so gebaut, dass er zumindest ein 100-jährliches Hochwasser abhält. Ansonsten sind diese Objekte in der Gefährdungsklasse 3. Das Augusthochwasser 2002 und das Junihochwasser 2013 haben gezeigt: Wenn es zu einem Versagen des Deiches kommt, sind die Schäden bei den Objekten, die durch diesen Deich geschützt werden sollten, oft sehr hoch.

ZÜRS berücksichtig zudem auch Gebäude, die nicht mehr als 100 Meter von einem Bach entfernt liegen (Bachzone). Diese Bachinformation wird zusätzlich zur Gefährdungsklasse angezeigt. Die Bachinformation ist besonders für Adressen in der Gefährdungsklasse 1 eine wichtige Zusatzinformation. Denn bei größeren Überschwemmungen hat sich gezeigt, dass ein nennenswerter Teil der Schäden in der Bachzone liegt – und dann die Schäden groß sind.

Und da wir uns gerade mit dem Starkregen auseinander setzten hier noch die Aussagen von „ZÜRS“ hierzu: "Neben der Hochwassergefährdung wird im Geoinformationssystem „ZÜRS Geo“ auch das Risiko für Starkregen mitberücksichtigt."

Starkregengefährdung besser einschätzen

Zur besseren Einschätzung des Risikos von Starkregenschäden hat der GDV jetzt drei Starkregengefährdungsklassen (SGK) eingeführt und in „ZÜRS Geo“ integriert. Abhängig von seiner Lage wird jedes Gebäude einer von drei Gefährdungsklassen zugeordnet. Denn: je tiefer ein Gebäude liegt, je länger das Wasser darinsteht, desto höher ist der Schaden. Für jedes Gebäude in Deutschland kann diese Gefährdung berechnet werden:

 

rothhaeuser gdv 2a

 

Deutschlandweit liegen knapp 12 Prozent aller Adressen in der SGK 3, etwa 66 Prozent in der SGK 2 und annähernd 23 Prozent in der SGK 1. Die Starkregengefährdungsklassen können Versicherer für eine detaillierte Beratung ihrer Kunden zum Schutz vor Hochwasser und für eine individuelle Risikokalkulation nutzen.

Prämienbetrachtung

Wir haben kurz beleuchtet, wie die Elementarschadendeckung für die Gefahren: Überschwemmung sowie Rückstau in Verbindung mit Starkregen funktioniert.

Hier noch einige Gedanken zur Prämienfindung:

Fazit

Das Tief „Bernd“ mit seinem Unwetter von Juli 2021 hat wieder einmal gezeigt, dass wir in vielen Bereichen von der Natur abhängen. Starkregenereignisse wie dieses können zwar vorhergesagt,  nicht aber die betroffene Region exakt bestimmt werden. Wir stellen fest, dass die Schäden, die hierdurch verursacht werden, oftmals existenzbedrohend sind. Für die versicherungstechnische Betrachtung gilt:

Wir hören oft die Aussagen: - hier passiert doch nichts, wir hatten noch nie so etwas …

Hierzu gilt:

...am Ende:

Versicherung,als Teil des Risikomanagements, ist

Ich hoffe, dass der Schaden nicht eintritt – bin aber vernünftig genug, hier eine Deckung zu installieren!