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Ältere Mitarbeiter: Fit für digitalisierte Prozesse

Fotolia_Porträt_lterer

Offizielle Bekenntnisse von Unternehmen zum Mitarbeiter 50 plus stehen oft in krassem Widerspruch zum Unternehmensalltag. Ältere Mitarbeiter, sei es als Festangestellte oder als Bewerber, treffen nicht selten auf einen ganzen Strauß an Vorbehalten, zu teuer, zu oft krank, nicht mehr teamfähig. nicht lernfähig oder willens etc. Speziell im Rahmen der voranschreitenden Digitalisierung von Prozessen trauen viele Unternehmen älteren Mitarbeitern wenig zu.

 Wenn fremdartige Begriffe Panik erzeugen

„Treffen wir uns doch gleich nachher im Google-Hangout!“ mailt der Kollege aus der Londoner Dependance des inhabergeführten Mittelstandunternehmens mit Konzernstrukturen der altgedienten Chefsekretärin am Hauptsitz in Köln. Elise K., gerade 55 geworden, ist entsetzt: Was will der jungforsche Kollege Patrick L. von ihr? Sie versteht nur Bahnhof. Als Patrick L. ihr dann noch eine Aufforderung zum Team Viewing zusendet und irgendetwas von interaktiven Worddokumenten schwadroniert, ist sie gänzlich deprimiert. Erste Gedanken an den vorzeitigen Ruhestand schwirren ihr durch den Kopf, „ich glaube, da komme ich nicht mehr mit“, klagt sie ihrer engsten Freundin beim abendlichen Telefonat.

Der Vorsprung der Digital Natives in puncto Geschwindigkeit

Zugegeben: Der Geschwindigkeit, mit der junge Menschen mit den digitalen Medien umgehen, sind ältere Mitarbeiter oft nicht gewachsen. Mutet so manch‘ Älteren das Umgehen mit elektronischen Dokumentationen, Meetings etc. noch wie eine Black Box an, geheimnisvoll im Innenleben, undurchschaubar und mit größer Vorsicht zu genießen, so bedienen jüngere und junge Menschen der sog. Generationen Y und Z (vom heute Enddreißiger bis zum Mittzwanziger) Programme wie unsereins den Kaffeeautomaten: Fast im Schlaf und mit einer Selbstverständlichkeit, die keine Angst vor Fehlern oder Abstürzen des Systems kennt. Eine intuitive Nutzung elektronischer Systeme, die dem älteren Kollegen bisweilen erst recht Angstschauer über den Rücken jagen: Das schaffe ich nie!

Wenn fluides Lernen ins kristalline Begreifen mündet

Hier zeigt sich bereits der erste entscheidende Ansatzpunkt: Doch, auch Ältere können einen Zugang gewinnen – allerdings anders als die Jungen. Denn: Ältere lernen nicht schlechter als junge Menschen. Sie lernen anders. Die Gehirnforschung spricht von fluider und kristalliner Intelligenz. In jungen Jahren nimmt der Mensch neue, so bislang nicht gekannte, Informationen in hoher Geschwindigkeit, wie im Fluss, also fluide auf. Der Neuropsychologe Ernst Pöppel spricht von Wellenkämmen der Aufmerksamkeit, sog. Oszillationspunkten, die beim fluiden Lernen resp. Informationen verarbeiten sehr eng beieinanderliegen. Die Wellentäler hingegen, in denen sich Erfahrungen sammeln und verdichten, sind in dieser Zeit noch sehr schmal. Ab Mitte 20, spätestens aber ab 30 verfestigt sich dann langsam die kristalline Intelligenz. Ältere nehmen gänzlich neue Informationen zunehmend langsamer auf, die Wellenkämme der Aufmerksamkeit liegen zunehmend weiter auseinander. Dafür sind die Wellentäler der Erfahrung immer breiter. Der ältere Mensch verknüpft Informationen aus ihm grundsätzlich bekannten, durchaus sehr komplexen, Themengebieten viel rascher als in der Jugend. Die aus der unendlichen Vielfalt unbewussten Wissens, welches wir im Laufe unseres Lebens angehäuft haben, erwachsende Intuition spielt hier eine erhebliche Rolle. Die Intelligenz Älterer ist besonders für Vergleichendes, Konzepte und Strategien günstig, für Gedankenlandschaften, in und aus denen heraus sich der tieferliegende Sinn erschließt.

Wenn Geschwindigkeit und Sinnfrage aufeinandertreffen

Hier ist der Anknüpfungspunkt für Lernerfolge Älterer auch im vermeintlich kaum mehr zu bewältigenden Geschwindigkeitsrausch einer digitalisierten Welt mit ihren digitalisierten Arbeitsprozessen.

  • Welchen Sinn haben diese Instrumente für meine Arbeit?
  • Wie können sie mir die Arbeit erleichtern, statt sie zu erschweren?
  • Welche gedanklichen Analogien zu analogen Arbeitsprozessen bieten sich an?

In dem Moment, in dem aus einem fremdartigen Prozess ein Bild mit Sinnzusammenhängen entsteht, erschließt sich auch dem älteren Mitarbeiter der Nutzen digitaler Arbeitsprozesse. Hier zeigt sich ein weiteres Phänomen im Vergleich zwischen junger und älterer Intelligenz. Neigt jugendliche Ungeduld rasch dazu, das Instrument selbst als den Sinn zu begreifen, eng verknüpft mit der Bereitschaft für rasch wechselnde Nutzungs- und Handlungsoptionen, so ordnet der Ältere die Dinge eher in einen Gesamtzusammenhang. Entbrennt heute auf dem Softwaremarkt in enorm rascher Taktung jeweils ein neuer Hype für eine neue Anwendung (angeblich viel besser als das, was gerade gestern noch als das Beste galt), so fragt sich der Ältere, wie lange wohl dieser Hype andauern wird.
Summa summarum sind Unternehmen klug aufgestellt, die zwei Optionen in ihre Personal- und Fortbildungsstrategie einbeziehen:

  1. Ältere Mitarbeiter altersadäquat, mit einem Fokus auf bild- und sinnhaftes Erlernen digitaler Instrumente einzubinden und
  2. sich das Erfahrungswissen Älterer nutzbar zu machen, um so manchen Hype genau als solchen zu entlarven.

Copyright: Fotolia Contrastwerkstatt

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